1847 – Solches Stückchen Mauer die Bewohner erschlagen kann

Sicherungsmaßnahmen an der Ruine Haselstein 1846/47

In den letzten beiden Jahren sind am Schlossberg oberhalb der Häuser am Hainberg (Schlossbergstraße) umfangreiche Sicherungen vorgenommen worden.

An der Baustelle – 30. Sept. 2012

Ein stabiler Metallgitterzaun, fest im Boden verankert, soll künftigem Steinschlag vorbeugen. Auslöser für die Arbeiten war ein Felssturz im Januar 2011. Der abgestürzte Phonolith-Brocken von etwa einem halben Meter Durchmesser hatte geringen Sachschaden an einer Hausfassade angerichtet; verletzt wurde glücklicherweise niemand. Phonolith ist eine Unterart des Basalts und aufgrund seiner porösen Struktur vergleichsweise witterungsempfindlich. Auftraggeber für den Schutzzaun war die Landesforstverwaltung (HessenForst). Als Eigentümer des größten Teils des Schlossberges – nur der Ostabhang bis hinauf zu den Eselskellern gehört zum Schloss-Grundstück – steht sie in der Pflicht, das Dorf von Gefahren, die vom Berg ausgehen, abzuschirmen. Diese Aufgabe ist keineswegs neu. Aus alten Aktenstücken, die im Marburger Staatsarchiv aufbewahrt werden, geht hervor, dass bereits Mitte des 19. Jahrhunderts Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden mussten. Damals stellte allerdings nicht das witterungsempfindliche Phonolith-Gestein die Gefahrenquelle dar, sondern die verbliebenen Mauerreste der Burgruine. Was die Jahrhunderte überdauert hatte, befand sich um 1840 in reichlich marodem Zustand. Über das Aussehen von Berg und Dorf Haselstein sind wir durch einen in diesen Jahren entstandenen Stahlstich recht gut unterrichtet. Er zeigt einen noch weitgehend kahlen Schlossberg. Die Felsen treten, noch nicht von Bewuchs verdeckt, deutlich hervor. Baumbestanden ist nur die Bergkuppe. Darüber hinaus sind in dieser Zeit zwei auch heute noch aufschlussreiche Beschreibungen Haselsteins entstanden. Die eine, aus dem Jahr 1832, findet sich in Georg Landaus vierbändigem Werk „Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer“. Landau hat darin zwischen 1832 und 1839 die Geschichte von insgesamt 60 Burgen beschrieben.

Eine gezeichnete Ansicht von Haselstein ziert die Titelvignette des ersten Bandes. Diese herausgehobene Behandlung ist bemerkenswert – umso mehr, als Haselstein damals gerade einmal seit 16 Jahren zu (Kur-) Hessen gehörte. Mit einer Illustration versehen waren nur die wenigsten der beschriebenen Burgen, z.B. die Kaiserpfalz in Gelnhausen.

Haselstein um 1840, Stahlstich von Köhler /Thümling

Über Berg und Ruine Haselstein schreibt Landau: „In einer nicht ungeräumigen Thalfläche zwischen Hünfeld und Geisa, südlich von dem von den Fuldaern viel besuchten Gehülfensberg, hebt sich mitten in derselben, ein zwar nicht sehr hoher, aber umso steilerer, spitz zulaufender Phonolith-Felsen. Seine isolirte Lage, seine kühne schlanke Gestalt, die zwischen dem üppigen Grüne seines Gebüsches hervorschimmernden Klippen, alles dieses gibt ihm eine so eigene, so romantische Ansicht, daß das Auge des Wanderers sich gleichsam an ihn gefesselt fühlt und das malerische Naturbild tief in die Seele senkt. Auf dem Gipfel dieses Felsens lag die, einst als Raubnest berüchtigte Burg H a s el st ei n. Von dem am Fuße des Felsenhügels liegenden Dorfe, steigt man neben dem ehemaligen Amthause hin durch ein Gärtchen und dann durch das dicke Gebüsche den steilen Abhang empor bis zum Gipfel. Die Burgstätte ist klein und von wildem Gesträuche und selbst kleinen Bäumen bewachsen. Von den Resten der Burg ist jedoch nur noch wenig übrig, so wenig, daß sich jetzt nicht mehr daraus erkennen läßt, wie einstens die Burg gestaltet war. Am Rande der Burgstatt steht noch ein Stück Mauer, und auch am Hang hin läuft ein ähnliches von noch 20 – 30 Fuß Höhe, das einen rechten Winkel bildet und wahrscheinlich der Rest von einer Ringmauer ist.

Auch sieht man hier und da noch Reste von Widerlagsmauern. Die Keller befanden sich nicht oben, sondern am Fuße des Berges, zwei sind davon zusammengestürzt, einer wird dagegen jetzt noch benutzt.“ Anders als Georg Landau, für den „nicht mehr zu ersehen [war], wie die Burg einst gestaltet war“, ist es späteren Forschern gelungen, die Burganlage rekonstruieren. Dr. Heinrich Hahn hat die Ergebnisse seiner Forschungen nebst Grundrissen der Burg und Schnitten durch den Schlossberg 1983 in den Fuldaer Geschichtsblättern dargestellt.

 

Auf seinem Internetprotal www.burgrekonstruktion.de hat der Privatforscher Wolfgang Braun eine Rekonstruktionsansicht der Burg Haselstein veröffentlicht. Sie basiert u.a. auf der archäologischen Untersuchung Dr. Hahns. Wo dieser Ergänzungen vorgenommen hat bzw. auf Vermutungen angewiesen war, ist die Rekonstruktionsansicht gezwungenermaßen ebenfalls spekulativ. Gleiches gilt für Details der Aufbauten, z.B. die Gestaltung der Dächer oder die Frage, welche Bauteile massiv und welche in Fachwerkbauweise errichtet waren. In groben Zügen – und darin liegt der Wert für uns Heutige – vermittelt die Zeichnung jedoch eine Vorstellung, wie die Burg ausgesehen haben dürfte. Aus der rundlichen Grundrissform der Felsenspitze auf dem Bergplateau hat Dr. Hahn geschlossen, dass der Turm ebenfalls rund gewesen sein dürfte. Diese Erkenntnis findet ihre Entsprechung in der literarischen Beschreibung Haselsteins von Conrad Pfaff in dessen 1852 erschienener Novelle ‚Wildmeisters Röschen‘, die in Teilen in und um Haselstein spielt. Pfaff, Jahrgang 1822, ist in Mackenzell und in Fulda aufgewachsen. Er kannte Haselstein und hat einige tatsächlich lebende Personen, die ihm teils aus eigenem Erleben, teils aus Erzählungen vertraut waren, zu Figuren in seiner Novelle verarbeitet.

Rekonstruktion der Burg Haselstein
von Wolfgang Braun (Ansicht von Nordwesten)

Es ist denkbar, dass Pfaff bei seinen Besuchen in Haselstein auf dem Gipfel des Schlossbergs die Überreste des ‚noch wohl erhaltenen runden Wartthurms‘ noch selbst gesehen hatte: „Zu den schönsten Punkten des an landschaftlichen Schönheiten so reichen Fuldaer Landes gehört der Haselstein, auch ein Vorberg des Rhöngebirges. Aus einer kleinen, vom frischen Grün der Wiesen bedeckten, ringsum vom herrlichsten Hochwald eingeschlossenen Ebene erhebt sich frei und kühn jener Felsen, dessen Anblick den ganz ermüdeten Wanderer aufmuntert, seine Kräfte zu sammeln und den Bergkegel zu ersteigen. Buchen und Ahorn vom üppigsten Wuchse drängen sich zwischen feinen Basaltsteinen hervor und von den kräftigen Waldbäumen geschützt, gedeiht bescheiden die wohlschmeckende Haselnuß und die Vogelkirsche. Von der Spitze des Berges blicken die Burgtrümmer von Haselstein ernst und trotzig in die Landschaft nieder, ein unvergleichlicher Anblick! Ein runder Wartthurm auf der Felsenspitze ist noch wohl erhalten, Thurmfalke und Habicht ziehen um denselben ihre kühnen Kreise und das Käuzchen läßt in dem Gemäuer seine unheimliche Musik zur Nachtzeit ertönen. Noch mögen die Geister Otto’s und Gerlach’s von Haselstein – gefürchteter Raubritter – in dem zerfallenden Mauerwerk umgehen und sich dem Auge zeigen, das an solchen Spuk gewöhnt ist; uns sind sie bei dem Besuche des Berges ebenso wenig begegnet, als die geisterhaften Gestalten neckischer Burgfräulein. Aber freundliche Kinder, redselige und muntere Mädchen sahen wir den schattenreichen Weg hinabeilen, der zum Dorfe, welches am Bergesabhange liegt, führt …“ Den hier vorgestellten Beschreibungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts war jahrhundertelanger Verfall voraus gegangen. Erstmals erwähnt wurde die Burg ausweislich des Historischen Ortslexikons für Hessen im Jahr 1113 im Zusammenhang mit dem gescheiterten Versuch des Fuldaer Abtes Wolfhelm (1109-1114), die von Abtrünnigen besetzte Burg zurückzuerobern.

Die früheste deutschsprachige Darstellung dieser Geschehnisse ist in Schneiders Buchonia 1828 erschienen. Das Begriffspaar ‚Raubritter’ und ‚Haselstein’ gehört seither zur Folklore fuldaischer Geschichtsschreibung: „Die Beraubung des Schlosses H a s el st ei n, unter dem fuldaischen Abte Wolfhelm, im Jahre 1113 (die Reste dieser noch vorhandenen alten Ruine führen uns diese Begebenheit in das Gedächtniß zurück) verdient hier zuerst angeführt zu werden. Dieses Schloß war ein Eigenthum des Stiftes Fulda und der Burgsitz eines fuldaischen Ministerialen. Die Räuber suchten es vom Stifte abzureißen und es ward diese Burg in der Folge eines der ärgsten Raubnester seiner Zeit, und der Zufluchtsort raubgieriger Ritter und anderen Gesindels. Der Abt war unglücklich und wurde in Thüringen gefangen. Als Kaiser H e inr i ch V im Jahre 1114 gegen die Sachsen zog, worunter auch L u d w i g Graf von Thüringen war, mußte Wo l fh el m sowohl, als der Abt zu Hersfeld mit. Allein unser Abt hatte das Unglück, bei der Belagerung der Veste Wartburg bei Eisenach vom Grafen gefangen zu werden. … Die Unruhen um Lande Fulda vermehrten sich von Tage zu Tage; Räuberbanden machten allenthalben, besonders aber an der Grenze von Franken, die Wege unsicher; sie verbreiteten sich überall und verursachten große Verwüstungen. Der kluge Abt Er lol ff suchte sie gegen das Jahr 1119 mit militärischer Stärke und mit Hilfe seiner Vasallen zu verdrängen; auch verjagte er sie aus den beiden zum Stifte gehörigen Schlössern H a s el st ei n und Mil s e nb ur g , wo sie sich eingenistet hatten. Beide wurden dann von ihm noch mehr befestiget und seiner Kirche dadurch eine mächtige Schutzwehr gegeben, welches zu dieser Zeit sehr notwendig ward, da das fuldaische Stift durch benannte Räubereien in die größte Armuth und Mangel der nothwendigsten Lebensmittel versetzt wurde.“ Das im Zuge der Ausbildung einer geschlossenen Landesherrschaft im Spätmittelalter entstandene Amt Haselstein ist zuerst 1282 nachgewiesen. In einer in Mainz ausgestellten Urkunde regelt König Rudolf von Habsburg die weltliche Verwaltung des Klosters Fulda. Zum Erhalt des Klosters hat das Amt der Burg Haselstein 40 Pfund Fuldaer Pfennige, 70 Viertel Weizen und Roggen und ebenso viele Viertel Hafer beizutragen. Mit dem Bau des neuen Schlosses in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hat die Burg die Funktion als Amtssitz dann verloren. Eine genauere Eingrenzung der Bauzeit ist nicht möglich. In einen Steinquader, rechts neben dem Portal zum Treppenturm, ist die Jahreszahl 1546 eingemeißelt. In einer schriftlichen Quelle, den Ende des 18. Jahrhunderts entstandenen ‚Collectaneen‘13 des Fuldaer Domkapitulars Constantin von Guttenberg, wird für den Bau das Jahr 1598, also 50 Jahre später, angegeben: Anno 1598. von dem damahligen Statthalter14 neben den alten Schloss ein neuer Bau aufgeführet. Die weit auseinander liegenden Jahreszahlen lassen darauf schließen, dass der um 1546 begonnene Bau für mehrere Jahrzehnte unterbrochen werden musste und erst 1598 ff. vollendet werden konnte. In den Amtsrechnungen15 zwischen 1600 und 1606 sind unter der Position Außgabe Baugelt jeweils größere Beträge verbucht worden. Es handelt sich dabei vorwiegend um Handwerkerrechnungen (Schmiede, Zimmerleute, Steinmetze, Weißbinder etc.) für verschiedenerlei Ausbauarbeiten. Bis zum Jahr 1600 lässt sich der Bauablauf allerdings mehr nachvollziehen, weil die Amtsrechnungen, mit Ausnahme der Jahre 1545 und 1555, nicht erhalten sind. Entgegen der landläufigen Überlieferung ist für den Schlossbau die alte Burg allerdings nicht vollständig geschleift worden, um auf diese Weise Baumaterial zu gewinnen.

Zumindest Teile haben bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts überdauert. Gleichzeitig mit dem Bau des neues Amtshauses sind sogar noch Erhaltungsarbeiten an der Burg ausgeführt worden. So sind 1604 Meister Hanß Zerken von breitzbach 9 Gulden 17 Böhmische bezahlt worden vonn dem Wohnhauß alhier und auff dem Schloß zu decken. Mit ‚Schloß’ ist die Burg auf dem Gipfel des Haselsteins, dem „Schloss-Berg“, gemeint. Die Bezeichnung ‚Burg’ ist erst im 19. Jahrhundert aufgekommen. Der Schlossbau von 1546/1598 findet sich in den Archivalien zunächst als ‚Amtshaus’ bezeichnet. Erst später setzte sich die Bezeichnung Schloss durch und die Burg wurde fortan ‚altes Schloss’ genannt. In einem 1893 erschienenen Aufsatz über die fuldaischen Ritterburgen ist bei der Ruine Haselstein ausdrücklich vermerkt, dass „von der Bevölkerung die Burgruine ‚das alte Schloß’ genannt wird.“16 – woran sich bis heute nichts geändert hat. Letztmals erwähnt wird die Burg, respektive das ‚alte Schloss’, während des 30- jährigen Krieges. In der Amtsrechnung für 1641 findet sich ein Hinweis, dass die Bevölkerung auf der Burg Zuflucht vor den Kriegsereignissen gesucht hat. In diesem Jahr sind die noch vorhandenen Befestigungen verstärkt worden: 2 Gulden wurden den Nachbarn zu Haselstein gezahlt, welche mit Hülff der Amptß Underthanen einen graben umb das alte Schloß gemacht undt Stacketen gesetzet. Auch sind in der Burg noch Vorräte eingelagert gewesen. Dies ist durch einen 1642 dort verübten Getreide-Diebstahl belegt. Dieser wurde mit sechs Gulden relativ streng bestraft. Die sechs Gulden hat Hanß Göbelß weib zu straff erlegt, weilen sie under gehabter wacht uff dem alten Schloß eingebrochen, und sowohlen dem Amptsvogten alß auch andern Nachbaren daselbsten edliche frucht veräussert. Damit endet die Überlieferung zur Burg Haselstein. Insbesondere in den Inventarverzeichnissen, die ab etwa 1680 wieder regelmäßiger Bestandteil der Amtsrechungen sind, erscheint die Burg nicht mehr. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Burg auch über eine eigene Hauskapelle verfügt haben muss. In den beiden ältesten erhaltenen Amtsrechnungen von 1545 bzw. 1555 ist beim Inventar17 einiges an Kirchengerät aufgeführt:18 1 kilch mit einer pathen (Patene), 1 meßgewant mit silbern gespan (Stickerei), stehet der von Buchenauw wappen darauff. Dieses Gewand dürfte also aus der Zeit zwischen 1401 und 146419 stammen, als das Amt Haselstein an die Ritter von Buchenau verpfändet war. Desweiteren waren noch vorhanden: 1 meß buch, 2 alt meßgewant, 2 messing lüchter, 2 meßkennlin (Meß-Kännchen). Doch zurück zur Situation in den 1840er Jahren. Als Resultat von 200-jährigem Verfall und der Nutzung als Steinbruch waren von der einst stolzen Burganlage nur mehr wenige Mauerreste vorhanden, die zudem nicht mehr standsicher waren. Das machte über kurz oder lang das Eingreifen der Behörden erforderlich – damals, zwischen 1816 und 1866, derjenigen des Kurhessischen Staates. Die Motivation war, anders als der Titel eines der einschlägigen Aktenstücke Denkmahle und Alterthuemer-Erhaltung20 vermuten lassen könnte, keineswegs die Sicherung denkmalwürdiger Bausubstanz. Im Vordergrund stand, ganz profan, die klassische Gefahrenabwehr. Es galt, die Bewohner Haselsteins vor herabfallenden Steinen zu schützen. Als Abhilfe wurden folgerichtig die unsicheren Mauerteile niedergelegt.

Eine ‚Erhaltung‘ oder gar, dem romantischen Zeitgeist entsprechend, eine Restaurierung mit teilweiser Rekonstruktion wie 1853 bei der damals zum Königreich Bayern gehörenden Ebersburg21 fand nicht statt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die 1840er Jahre von einer schweren wirtschaftlichen Depression geprägt waren, verschärft durch mehrere aufeinanderfolgende Jahre mit Missernten aufgrund schlechter Witterung (Kartoffelfäule). Entsprechend in Mitleidenschaft gezogen war – infolge rückläufiger Einnahmen bei gleichzeitig vermehrten Aufwendungen zur Sicherstellung der Ernährungslage – die Staatskasse. Ihren administrativen Gang haben die Dinge seit September 1846 genommen. Zur Berichterstattung aufgefordert, schreibt der Kreisrat22 von Hünfeld, Aloys Maier (1821- 1851), am 5. September 1846 an die Kurhessische Regierung23 in Fulda: … [ich] säume nicht zu berichten, daß zu Erhaltung des kleinen Mauerrestes am Schloßberg zu Haselstein weder ein Interesse vorhanden, noch dieses Stückchen Mauer der Reparatur fähig ist, solches vielmehr sich auf die Seite nach dem Orte Haselstein schon sehr geneigt hat; jeden Tag einstürzen, die unten am Berg stehenden Gebäude zertrümmern, und die Bewohner erschlagen kann. Die Regierung in Fulda leitet die Angelegenheit mit dem Vorschlag, die Mauerreste abzubrechen, weiter an das Innenministerium in Kassel. Dort fällt am 28. September die Entscheidung, wonach der Abbruch der auf dem Schloßberge bei Haselstein befindlichen, nicht mehr reparaturfähigen, geringen Mauerreste genehmigt und das Ober – Forst – Collegium angewiesen worden ist, in der von der Forst – Inspektion zu Fulda vorgeschlagenen Weise das Erforderliche zu verfügen. Daraufhin passierte zunächst einmal nichts. Denn unter dem 14. November berichtet das Kreisamt Hünfeld an die Regierung in Fulda, die Niederlegung des Mauerrestes am Schloßberge zu Haselstein betreffend: Nach Bericht des Ortsvorstands zu Haselstein24 ist der Menschen, Vieh und Gebäuden Gefahr drohende Stückchen Mauer am Schloßberge noch nicht abgebrochen; welches ich, um im Falle entstehenden Unglücks ausser Verantwortung zu sein, andurch anzuzeigen nicht verfehle. Auf den Vorhalt der Regierung Fulda, untätig gewesen zu sein, verweist die Forstinspektion in Fulda unter dem 30. November 1846 auf die nachgeordnete Oberförsterei in Hünfeld: Auf den hohen Beschluß vom 20ten d.[iesen] M.[onats] ermangele ich nicht, gehorsamst anzuzeigen, daß wegen vorsichtiger Wegräumung der fraglichen Mauer unterm 1 ten August l.[etzten] J.[ahres] bereits Verfügung an die Kurfürstliche Oberförsterei Hünfeld erlassen und diese an die Erledigung des gedachten Beschlusses unterm heutigen Tage erinnert worden ist. Die Absicht der Forstinspektion Fulda, sich selbst zu rechtfertigen, ist jedoch gründlich daneben gegangen. Zwar war man selbst bereits im Sommer 1845, also mehr als ein Jahr vor der Initiative der Regierung in Fulda im September 1846, aktiv und hatte die zuständige Oberförsterei mit dem Abbruch beauftragt. Sich seither aber nicht mehr darum gekümmert zu haben, ob dieser auch erledigt würde,war kaum als Nachweis eifriger Dienstführung geeignet. Wer meint, die angeordneten Abbrucharbeiten wären nunmehr zügig angegangen worden, sieht sich getäuscht. Ohnehin dürfte bereits jahreszeitbedingt an die Ausführung nicht zu denken gewesen sein. Das ist dann im Februar und März 1847 erfolgt. Zuvor war noch ein Wechsel der Zuständigkeiten verfügt worden. Nicht mehr die Forstverwaltung, die bisher eine recht dilatorische Arbeitsweise an den Tag gelegt hatte, sondern die – wie auch heute noch – dem Finanzministerium nachgeordnete Bauverwaltung sollte sich nun darum kümmern, den Haselsteinern die gefährlichen Mauerreste vom Hals zu schaffen. Die Untätigkeit der Forstverwaltung verwundert insofern, als das Schloss, wie die Häuser am Hainberg direkt unterhalb der instabilen Mauerreste gelegen, damals Sitz der Revierförsterei war. Das heißt, der Förster25 mitsamt Familie und weiteren Bediensteten gehörte zum Kreis der durch Steinschläge potentiell gefährdeten Personen. Die Bauverwaltung hat sich dann zeitig im neuen Jahr 1847 an die Arbeit gemacht. Dies ist einem zweiten Aktenstück zu entnehmen, das ausschließlich den Abbruch der Mauerreste auf dem Schloßberg bei Haselstein26 zum Gegenstand hat. Den Auftakt macht das Finanzministerium in Kassel. Es beauftragt am 15. Februar die Ober-Baudirektion, den Abbruch der fraglichen Mauerreste fordersamst anzuordnen, auch auf möglichst baldige Abführung des gewonnen werdenden Materials Bedacht zu nehmen, wobei man es angemessen finde, daß gegen ohnentgeldliches [sic!] Ueberlassen der Steine die für den Abbruch und den Transport auf 20 Thlr.[Taler] berechneten Kosten von Seite der Straßenbauverwaltung übernommen werden.

Die Ober-Baudirektion reicht den Auftrag unter dem 20. Februar an den Landbaumeister in Hünfeld weiter. Von ihm wird verlangt, den Abbruch des wirklich Gefahr drohenden Mauerwerks unverweilt anzuordnen, auch sich baldthunlich darüber zu äussern, ob und welcher Gebrauch aus den gewonnenen Steinen zu machen und welcher Erlös daraus zu erwarten stehe. Der Abbruch der gefährlichen Burggemäuer ist dann innerhalb von vier Wochen erfolgt. Die vom Ziel einer sparsamen Verwaltungsführung geleitete Absicht der OberBaudirektion, durch eine Zweit-Verwendung der abzubrechenden Steine im Wegebau die Abbruchkosten möglichst zu refinanzieren, ist jedoch nicht umgesetzt worden. In seiner Vollzugsmeldung vom 23. März 1847 teilt der Hünfelder Landbaumeisters Claus mit, dass das Abbruchmaterial, statt im Unterbau von Straßen und Wegen zu landen, vielmehr an Ort und Stelle geblieben ist: Der Landbaumeister zu Hünfeld überreicht die Rechnung über Abbruch des Gefahr drohenden Mauerwerks auf dem Haselsteiner Schloßberg … Nach nun mehr geschehenem Abbruch der wirklich Gefahr drohenden Mauerreste auf dem Schloßberg bei Haselstein beehre ich mich die Rechnung hierüber zur hochgeneigten Zahlungsverfügung ueber Remission des Finanz=Ministerial=Beschlußes mit samt Anlagen mit dem Bemerken zu überreichen, daß die abgebrochenen, wertlosen Steine sehr zweckmäßig zur Verfüllung vorhandener Vertiefungen auf dem Plateau dieses Berges verwendet worden sind, wodurch eine Ersparniß von 5 Thaler 15 Silbergroschen erzielt worden ist. Die Kosten für Abbruch betrugen demnach 14 Taler 45 Silbergroschen, statt der ursprünglich veranschlagten 20 Taler. Dass sich im Untergrund des Gipfelplateaus in nennenswertem Umfang Steinmaterial von der Burg befindet, ist für uns Heutige eine Überraschung. Denn eine Erinnerung an die Sicherungsmaßnahmen des Jahres 1847 und die für die abgebrochenen Steine gewählte Form der ‚Entsorgung‘ hat sich im Ort nicht erhalten. Der Befund hat vor allem etwas Erfreuliches: Von der Burg Haselstein ist doch mehr übrig geblieben als die wenigen Mauerreste, die heute zu sehen sind. Leider geben die Akten keine Auskunft, wo überall die im März 1847 abgebrochenen Steine gelandet sind und wie viele es sind. Hier kann nur eine spätere archäologische Untersuchung Klarheit bringen. Eine solche wird im Vorfeld einer allfälligen Sanierung der Ruinen, die früher oder später in Angriff genommen werden muss, sicherlich erfolgen. Aber wenn man weiß, wonach zu suchen ist, erleichtert das die Forschungsarbeit ungemein. Zudem könnte für notwenige Ausbesserungen an den vorhandenen Mauerteilen auf das im Untergrund lagernde Originalmaterial zurückgegriffen werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Umfangreiche Instandhaltungen an der Ruine sind jedoch unausweichlich, wenn das 900-jährige Jubiläum, dass in diesem Jahr gefeiert wird, nicht der letzte runde Geburtstag der Burg(ruine) Haselstein gewesen sein soll.

Laden Sie hier den vollständigen Text als PDF-Datei herunter:  1847 – Abbruch-Ruinen