Ein neues Wappen für Haselstein
Die heraldische Beschreibung lautet: Im silbern-grün geteilten Schild oben ein goldener Haselbruch, umgeben von neun goldenen Sternen. Unten ein durchgehendes schwarzes Kreuz. Die fachgerechte Umsetzung der Entwurfsidee hat der vom Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden empfohlene Heraldiker Dieter Schäfer aus Assenheim (Wetterau) übernommen. Nahe hätte es gelegen, bei der Gestaltung des Dorfwappens auf das Wappen der Adelsfamilie derer von Haselstein zurückzugreifen. Leider war dies nicht möglich. Trotz zahlreicher Erwähnungen diverser Mitglieder des Rittergeschlechts über fast 200 Jahre hinweg (zwischen 1138 und 1328), ist es nicht überliefert. Als erster Namensträger gilt Gerlach von Haselstein, der aus der Familie von Geisa stammte. Er soll der erste Kastellan Fuldas auf dem Haselstein gewesen sein und hat sich laut einer Urkunde seit 1140/42 nach der Burg genannt. Aus der Vielzahl der namentlich bekannten Haselsteiner ragt Ludeger, der Ende des 12. Jahrhunderts nachgewiesen ist, einzigartig heraus. Er war ein Gesandter des staufischen Kaisers Heinrich VI. (1190-1197), dem Sohn des legendären Friedrich Barbarossa, der 1190 als Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land umgekommen ist. In den beiden ältesten Werken zur Fuldischen Geschichte von Brower (1612) und Schannat (1729) wird er als LUDGERO HASELSTEINIO IMPERII LEGATO bezeichnet.
Der aus Hünfeld stammende Prof. Konrad Lübeck schreibt in seinen ‚Alten Ortschaften‘ über Ludeger von Haselstein als „besonderen Vertrauensmann König Heinrichs VI., von dem er 1190 und 1192 mit einem ebeno wichtigen wie unangenehmen Auftrage bedacht wurde.“ Hinter dieser kryptischen Formulierung verbirgt sich die erzwungene Aushändigung von zwei mit Gold und Edelsteinen besetzten Tafeln aus dem Schatz des Klosters Fulda. Sie sollten der Finanzierung der Italienfahrt 1190/91 dienen, auf der Heinrich VI. am Ostermontag 1191 von Papst Coelestin III. zum Kaiser gekrönt wurde, an der Eroberung des Königreichs Sizilien hingegen noch scheiterte. Auf Geheiß des Papstes hat das Kloster Fulda die Kleinodien 1192 zurück erhalten. Als letzter Haselsteiner gilt der seit 1311 als Propst auf dem Michelsberg nachgewiesene Heinrich von Haselstein.
Spätestens 1322 wechselte er als Propst auf den Neuenberg bei Fulda. 1328 ist er gestorben. Die regionalgeschichtliche Forschung zu den Ministerialen des Klosters Fulda hat erbracht, dass das Rittergeschlecht derer von Mansbach aus der Familie von Haselstein hervorgegangen ist. Marquard von Mansbach, als solcher ab den 1230er Jahren bezeichnet und als Bruder Gerlachs (IV.) von Haselstein genannt, erschien 1223 noch als Marquard (II.) von Haselstein. Vor diesem Hintergrund wurde im Adelshandbuch Gotha, Ausgabe 1939, die Vermutung geäußert, dass das nicht überlieferte Wappen der Haselsteiner identisch mit dem überlieferten Wappen derer von Mansbach wäre.
Bei der Suche nach dem Wappen der Ritter von Haselstein hilft diese Vermutung allerdings nicht weiter. Wie das für Haselstein zuständige Staatsarchiv in Marburg auf Anfrage im Januar 2012 mitgeteilt hat, müsse, da nicht belegt, die vermutete Wappengleichheit reine Spekulation bleiben. Es wurde vielmehr ausdrücklich abgeraten, auf Basis des Mansbacher Wappens ein Ortswappen für Haselstein zu schaffen. Gezielte Recherchen nach dem Wappen des Haselsteiner Adelsgeschlechts sind bereits im Zuge der Verleihung des Wappens der Gemeinde Nüsttal Mitte der 1980er Jahre erfolgt. Damals wurde auf Betreiben des Staatsarchivs Marburg der ursprüngliche Entwurfsvorschlag der Gemeinde verworfen und gegen das später verliehene Wappen ersetzt.
Dieses zeigt, als Sinnbild für Haselstein als geschichtsträchtigstem Ort der Großgemeinde, einen Haselnussbruch im Zentrum. Dieser Rückgriff auf ein sogenanntes ‚sprechendes Wappen‘ ist nur als Folge des Fehlens einer historischen Überlieferung zu erklären. Zudem hat der Ortsname Haselstein nichts mit Haselnüssen zu tun. „Haselahastein“, die in der Grenzbeschreibung der Mark Rasdorf von 780/781 überlieferte früheste Form des Ortsnamens, bedeutet nichts anderes als „Stein bzw. Fels am Bach Hasel“. Der für Berg und Dorf namensgebende Fluss „Hasel“ hat seinen Ursprung im germanisch/keltischen „Asala“, was „kleiner Weideplatz“ bedeutet.
Da das Haselsteiner Wappen aus dem Mittelalter nicht zu ermitteln war, musste ein neues geschaffen werden. Die Aufgabe bestand darin, eine eigenständige und originelle Darstellung zu entwickeln, die die wesentlichen Aspekte der reichen Ortsgeschichte abbildet, die Haselstein aus den umliegenden Dörfern hervorhebt. Angesichts der Dominanz der ‚Haselsteiner Nuss‘ im Zentrum des Gemeindewappens von Nüsttal drängte es sich geradezu auf, dieses als Grundlage für die weitere Gestaltung heranzuziehen. Darüber hinaus wurden als weitere Elemente die Sterne aus dem Wappen der Amtsvogtsfamilie Landvogt sowie das Fuldische Stiftskreuz, wie es sich im Wappen des Landkreises Hünfeld findet, aufgenommen.
Damit wird Bezug genommen auf
● die Zugehörigkeit Haselsteins zur 1971/72 gebildeten Großgemeinde Nüsttal,
● die 500jährige Tradition als Hauptort des gleichnamigen Amtsbezirks,
● die durch die Burg Haselstein und den späterem Amtssitz begründete enge Bindung des Ortes an das Hochstift Fulda sowie
● die Zugehörigkeit zum ehemaligen Landkreis Hünfeld.
Zur Beschreibung des Wappens im einzelnen: Im Mittelpunkt des oberen Feldes steht, dem Wappen der Gemeinde Nüsttal entnommen, der Haselnussbruch als Sinnbild für das Dorf Haselstein. Diesen umgibt ein Kranz von neun sechszackigen Sternen. Dargestellt wird damit die Funktion Haselsteins als Hauptort des gleichnamigen fuldischen Amtes. Dieses hatte über 500 Jahre, von Ende des 13. Jahrhunderts bis 1817, bestanden. Erstmals erwähnt ist das Amt Haselstein im Jahr 1282 in einer in Mainz ausgestellten Urkunde des Königs Rudolf von Habsburg, die die weltliche Verwaltung des Klosters Fulda regelt. Zum Erhalt des Klosters hat das Amt der Burg Haselstein 40 Pfund Fuldaer Pfennige, 70 Viertel Weizen und Roggen und ebensoviele Viertel Hafer beizutragen.
Als Zeugen fungieren unter anderem Rabenold und Herting von Haselstein, die als Ritter der Fuldaer Kirche (milites ecclesie Fuldensis) bezeichnet werden. Erster namentlich bekannter Amtmann war der „gestrenge Ritter“ (strenus vir) Herting von Neukirchen. Es befand sich nachweislich eines Kopiars aus der Zeit des Fuldaer Abts Heinrich VI. (1315-1353) seit 1325 in seinem Pfandbesitz. Er wird noch 1335 genannt. Mit dem größeren Teil des ehemaligen Hochstifts Fulda, das bereits 1802 im Zuge der Säkularisation aufgehoben worden war, ist das Amt Haselstein nach Ende der Napoleonischen Kriege im Zuge des Wiener Kongresses 1816 an Kurhessen gefallen. Einer noch im selben Jahr durchgeführten Neugliederung ist der Amtsbezirk Haselstein, zusammen mit Bieberstein, Johannesberg und Wehrda, zum Opfer gefallen. Seine Ortschaften wurden auf die benachbarten Ämter Hünfeld und Eiterfeld aufgeteilt.
Im Wappen werden die neun zum Amt Haselstein gehörigen Dörfer durch je einen Stern symbolisiert. Es handelt sich um folgende Orte: Haselstein, Großentaft, Grüsselbach, Kirchhasel, Rasdorf, Setzelbach, Soisdorf, Stendorf und Treischfeld. Die Sterne sind dem Wappen der Familie Landvogt entlehnt. Es zeigt in der Reihung 4 – 3 – 2 ebenfalls neun gezackte Sterne: genauso viele wie Ortschaften zum Oberamt Haselstein gehörten. Mit Philipp Ignaz Landvogt (ca. 1723–1791) und dessen Sohn Anton (1758–1832) stellte die Familie die beiden letzten und gleichzeitig am längsten amtierenden Vögte auf Haselstein. Beim Vater waren es 32 Jahre (1756–1788), beim Sohn 28 (1788 bis zur Auflösung des Amts 1816/17). Anton Landvogt war zudem der einzige in Haselstein bereits geborene Chef der Lokalverwaltung.
Die Umkränzung des Haselnussbruchs findet sich als Gestaltungselement analog im Gemeindewappen von Nüsttal: Dort besteht die Umkränzung aus acht Basaltkegeln. Sie stehen für die acht Ortsteile der Großgemeinde. Das untere Feld übernimmt die Darstellung des Fuldaer Stiftskreuzes (schwarzes Kreuz auf weißem Grund) aus dem 1953 verliehenen Wappen des Landkreises Hünfeld. Damit wird die an die 1.000jährige enge Bindung Haselsteins ans Kloster bzw. das geistliche Fürstentum Fulda sowie die Zugehörigkeit zum Kreis Hünfeld (1821–1972) erinnert.
Auch der Kreis Fulda sowie diverse Städte und Gemeinden des ehemaligen Fürstentums führen das Fuldaer Stiftskreuz in ihren Wappen. Rasdorfs Wappen, das als Nebenkloster und durch das spätere Kollegiatstift ebenfalls eng mit der Fürstabtei verbunden war, kombiniert z.B. das Stiftskreuz mit der Mauer des Wehrfriedhofs. Auch die Gemeinde Nüsttal hatte 1985 den Wunsch, das Fuldaer Kreuz in ihr Gemeindewappen aufzunehmen – wie der damaligen Presse zu entnehmen ist, allerdings vergeblich. Seinerzeit bedurfte ein Gemeindewappen noch der Genehmigung durch das Innenministerium.
Die Haselsteiner Nuss: Wie Nüsttal zu seinem Wappen kam (Bericht in der Hünfelder Zeitung vom 10. Mai 1985 zum Entwurf des Gemeindewappens) N ü s t t a l – Hofaschenbach (ph). … In der Zusammenkunft [gemeinsame Sitzung von Bau- sowie Haupt- und Finanzausschuss] informierte [Bürgermeister] Vogt über die Bemühungen um ein Gemeindewappen. Der eingereichte Entwurf der Gemeinde mit acht Basaltsäulen für die Ortsteile mit der durch das Wappen verlaufenden Darstellung der Nüst und dem Fuldaer Kreuz fand auch in den Ausschüssen viel Anklang. Beim zuständigen Staatsarchiv in Marburg ist der Vorschlag nach Angaben des Bürgermeisters jedoch auf Ablehnung gestoßen. Von dort wurde ein Wappen empfohlen, der in der Mitte des Wappens in Anlehnung an den Ortsteil Haselstein einen Haselzweig in Kreuzform zeigt, um das die acht schwarzen Basaltsäulen aus der Vogelperspektive gruppiert sind. Grundfarbe des Wappens soll Weiß sein. In den Ausschüssen kam man überein, daß die Anordnung des Wappens überarbeitet werden und zudem nach Möglichkeit das Fuldaer Kreuz Berücksichtigung finden soll. [Dazu ist es dann nicht gekommen.] Am Rande notiert: Haselsteiner Nuß Nüsttal-Hofaschenbach. Die Vertreter aus Haselstein sahen es mit gewisser Zufriedenheit, daß der Entwurf des Staatsarchivs ihrem Ortsnamen besondere Bedeutung im neuen Wappen der Gemeinde beimessen will, indem der Haselnußstrauch als Namensgeber des Ortes Zentrum des Wappens sein soll. Auch Bürgermeister Vogt gestand, daß dies „ein ideales Wappen für Haselstein wäre“. Ausschußmitglieder aus den anderen Ortsteilen versuchten, die mächtige Haselsteiner Nuß mit Humor zu knacken. „Ausgerechnet die Raubritter sollen mitten rein“, wurde die geplante Anordnung des Haselnußzweiges kommentiert. Da man jedoch auch gerne das fuldische Kreuz im Wappen sehen will, wurde über eine andere Gestaltung diskutiert, und dabei tauchte zwangsläufig auch die Frage auf: „Wohin dann mit der Haselnuß?“ Die Lösung war für die Nicht-Haselsteiner einfach: „Auf die Rückseite!“
Nachdem das historische Wappenschild des Rittergeschlechts verschollen ist, verfügt Haselstein – rechtzeitig zum 900-jährigen Burgjubiläum – wieder ein seiner geschichtlichen Bedeutung entsprechendes Erkennungszeichen. Es wird über die anstehenden Feierlichkeiten hinaus Verwendung finden.
Laden Sie hier die Wappenübersicht als PDF-Datei herunter: 2012 Wappen