Geschichtsfreunde aus Haselstein und Mittelaschenach auf den Spuren des Barock-Baumeisters Andreas Gallasini
Leben und Werk des fürstlich-fuldischen Baumeisters Andrea(s) Gallasini (1681-1766) haben die Heimatvereine von Haselstein und Mittelaschenbach im Fuldaer Vonderau-Museum nachgespürt. Das Interesse an der Ausstellung zu Gallasini geht zurück auf dessen Bauten in Haselstein. Sowohl die barocke Pfarrkirche als auch das unterhalb gelegene Dorfgasthaus ‚Goldener Stern‘ in der Dorfmitte gehen auf ihn zurück.
Gallasinis Wiege stand in Lugano im Tessin (italienische Schweiz). Sein Lebensweg steht beispielhaft für vielen Baukünstler und Handwerker, die ab dem späten 17. Jahrhundert den lebensfrohen, aus Italien stammenden Barockstil über die Alpen brachten. Vor allem wegen der kunstvollen Stukkaturen waren die vorwiegend aus Oberitalien stammenden ‚frühen Gastarbeiter‘ an den deutschen Fürstenhöfen hoch willkommene Mitarbeiter. Bevor er 1720 nach Fulda kam, hatte Andreas Gallasini Stationen in Saalfeld, Meiningen, Weilburg, Neuwied und Arolsen absolviert: zunächst als angestellter Stukkateur, dann als Bauleiter.
Unter Fürstabt Adolph von Dalberg avancierte Gallasini schließlich 1728 zum fürstlichen Baumeister und Architekten, eine Stellung, die er fast 30 Jahre, bis nach dem Tod von Dalbergs Nachfolger Amand von Buseck 1756, ausfüllen sollte. Neben seinem Wirken in der Residenzstadt Fulda hat Gallasini unter anderem in 20 fuldischen Dörfern neue Kirchen errichtet. Dieses flächendeckende Bauprogramm war zunächst Ausfluss der Anstrengungen der beiden fürstäbtlichen Auftraggeber, die Seelsorge auf dem Land zu intensivieren. Zugleich erwuchs Andreas Gallasini, wie der Kunstexperte Ernst Kramer einst schrieb, zum „Schöpfer des einheitlichen barocken Gesichts des Fuldaer Landes.“
Wie die Ausstellung zeigt, war charakteristisch für Gallasinis Arbeitsweise der Rückgriff auf Fassadenelemente bedeutender Barockbauten, etwa in Rom, Florenz oder Wien. Die partielle Verwendung fremder Entwürfe für die eigenen Bauprojekte wäre heute als Diebstahl geistigen Eigentums verpönt. Im 18. Jahrhundert hingegen war dies allgemein akzeptiert und wurde auch erwartet. Kopiert hat Gallasini bei seinen Landkirchen zudem viele Gestaltungselemente des 1712 vollendeten Fuldaer Doms. Er hat die Hauptkirche des Hochstifts gewissermaßen ‚geklont‘ und in viele Orte des Stiftsländchens hinausgetragen. Ob mit bewusstem Kalkül oder nicht: Die eigene Kirche ähnlich schön wie den Dom in der Hauptstadt zu wissen, förderte die Identifikation der gläubigen Untertanen mit Fürstenthron und Altar.
Dies fiel ihnen umso leichter, als sie die neuen Kirchen großenteils geschenkt bekamen. Bauherr war der Fürstabt, bezahlt wurde aus der fürstlichen Kasse. Zwar sind Überlieferungen falsch, alle Kosten wären aus der Abts-Schatulle beglichen worden. Der Eigenanteil der Gemeinden hielt sich jedoch in Grenzen. Im Falle Haselsteins hatte das Dorf 417 der laut Kirchbaurechnung verausgabten 2.119 Gulden beizutragen. Das waren knapp 20 %.
In der Ausstellung ist einem Zeitstrahl mit allen Bauten Gallasinis zu entnehmen, dass die Mehrzahl seiner Landkirchen im Norden der Fürstabtei entstanden ist, um Hünfeld und Geisa herum. Im Hünfelder Land erhielten zunächst alle vier Amtsdörfer ein neues Gotteshaus: Burghaun sein evangelisches (erbaut 1727-29). Die große katholische Schwester von Dombaumeister Dientzenhofer war schon 1714 vollendet. Die Mackenzeller Pfarrkirche (1728-30) diente dem fürstlichen Baumeister, so jedenfalls die kunsthistorische Einordnung, als Prototyp für nachfolgende Entwürfe. Beim Einmarsch der US-Armee Ostern 1945 ausgebrannt, wurde die Ruine, anders als in Hauswurz, nicht wieder aufgebaut. Eiterfeld (1730-31) beeindruckt durch die besonders gelungene Fassadengestaltung und den harmonischen Gesamteindruck.
Bei der kleinen, in den Abhang des Schlossbergs förmlich hineingebauten Haselsteiner Kirche (1730-33), sind es hingegen die überreichen Stukkaturen im Inneren, die dem Betrachter besondere Bewunderung abverlangen: kunstvolles Bandelwerk, Rosenbuketts und aufwändige Umrahmung der Evangelisten-Portraits an der Decke. 12 Flammenkreuze, geziert von 72 Engelsköpfchen, ein jedes mit individuellem Gesicht, sind entlang der Seitenwände verteilt. Für eine Dorfkirche eine absolute Ausnahme, ist vergleichbarer Aufwand nur in Fulda bzw. den Propsteien, den Nebenresidenzen der adligen Domkapitulare, getrieben worden. Auch wenn er in der Kirchbaurechnung nur anonym als ‚Stuckator‘ erscheint, ist die Urheberschaft des Hofstukkateurs Andreas Schwarzmann nachgewiesen. Pfarrer Armin Hühn hat dessen Namenszug im Stuckband über der Orgel in den 1980er Jahren entdeckt.
Weitere Gallasini-Kirchen im Hünfelder Land schmücken Großentaft (1736-39) und Oberufhausen (1747-50). Bis 1966 stand eine siebte in Michelsrombach (1747-48). Obwohl einem prominenten römischen Kloster, dem Oratorio dei Filippini, nachempfunden, musste sie einem modernen Neubau weichen.
(Andreas Knüttel)