Haselstein auf 2 ½ mal 1 Meter

Geschichtsverein Haselstein zu Besuch im Kreisgeschichtlichen Museum Hünfeld

 

Einen exklusiven Kunstgenuss bekamen die Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins aus Haselstein im Hünfelder Heimatmuseum geboten. Die historisch Interessierten waren gekommen, um einen Streifzug durch die Jahrmillionen der Geschichte der Vorderrhön zu unternehmen: angefangen bei den Mini-Dinosauriern, die ihre Spuren in einem Steinbruch bei Eiterfeld hinterlassen haben. Demgegenüber darf das ‚reiche Mädchen von Molzbach‘, das um 1300 v. Chr sein prächtiges Grab erhalten hatte, fast schon als zeitgenössisch bezeichnet werden. Breiten Raum nahmen die Entwicklungen des Computerpioniers und Hünfelder Ehrenbürgers Konrad Zuse ein. Besonders beeindruckte die Ausdauer des ‚rechenfaulen‘ Mathematikers, der sich von den widrigen Umstände der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit nicht entmutigen ließ. Dass heute jeder tragbare Mini-Computer mehr zu leisten in der Lage ist als die ganze Schränke füllenden Rechen-Apparate des Computer-Pioniers, schmälert Zuses Verdienste keineswegs.

Den größten und nachhaltigsten Eindruck auf die Haselsteiner Museumsbesucher machte jedoch ein repräsentativ im Treppenhaus platziertes überdimensionales Ölgemälde: eine 2 ½ mal 1 Meter messende Ansicht von Haselstein, geschaffen 1926 vom bekannten Rhön-Maler Pedro Schmiegelow. Die großformatige Ansicht des Dorfes vor dem Hessischen Kegelspiel, die mit der Neueröffnung 1995 einen neuen dauerhaften Platz im Hünfelder Heimatmuseum fand, ist eine Auftragsarbeit für den Hünfelder Zweigverein des Rhönklubs gewesen. Sie war zur Ausschmückung Wartehalle im Bahnhof bestimmt und hat dort lange Jahre gehangen.

Die mit dem Kunstwerk verfolgten Absichten waren durchaus profaner Natur. Laut dem Hünfelder Kreisblatt von 1926 war das „Oelgemälde in Großformat … als wirkungsvolles Werbemittel zur Hebung des Fremdenverkehrs gedacht. Dazu „hat der Künstler den landschaftlich schönsten Punkt des Kreises als Motiv gewählt. Es ist der Haselstein mit dem angeschmiegten Dörfchen, dessen prachtvollen Hintergrund die schönsten Berge des Kegelspiels bilden. … Der Duft des herbstlichen Spätsommers, die aufleuchtenden bunten Farben und die landschaftliche Staffage vereinigen sich mit der reizvollen Schönheit des Motivs zu einer wundervollen Gesamtwirkung.“

Der von Schmiegelow gewählte Blickpunkt ist im Bereich des Verbindungsweges zu suchen, der von der Landstraße Haselstein – Mittelaschenbach nach Oberaschenbach abzweigt, kurz vor der Burkhardser Höhe. Das Gemälde zeigt  im Hintergrund des von Schlossberg, Kirche und Amtsschloss beherrschten Dorf den Rückers- , Appels- und Stallberg aus dem Hessischen Kegelspiel. Im Vordergrund links ist anhand der Baumreihe der Verlauf der Straße nach Mittelaschenbach zu erkennen.

Der Öffentlichkeit übergeben wurde das Werk am 7. November 1926, einem Sonntag, im Rahmen einer Einweihungsfeier mit anschließendem gemütlichen Beisammensein im Hotel Engel. Zu den geladenen Gästen gehörten auch die Haselsteiner Gemeindevertreter. Schließlich hatte die Gemeinde Haselstein, so berichtet es die Schulchronik, „eine Beisteuer zu den Beschaffungskosten gegeben.“ Dem Kreisblatt zufolge überbrachte Bürgermeister Josef Wingenfeld „die Glückwünsche seiner Gemeinde mit frischen Worten.“

Der Vorstand des Hünfelder Rhönklubs hatte mit dem seit 1919 in Fulda ansässigen Pedro Schmiegelow (1863-1943) einen der damals führenden Kunstmaler der Region verpflichtet. Vor seiner Niederlassung in Fulda war das Werk des gebürtigen Hamburgers, der in Dresden ein Kunststudium absolviert hatte und zeitlebens als Landschaftsmaler tätig war, vom Impressionismus geprägt. Entscheidende künstlerische Erfahrungen sammelte er vor und während des 1. Weltkriegs auf Fernreisen, die ihn in den Mittelmeerraum und den Nahen Osten führten. In der Rhönmalerei, seinem Spätwerk, entwickelte er einen eigenständigen Stil, der ihn von den übrigen Vertretern dieses Genres deutlich abhebt. Das Haselsteiner Gemälde von 1926 war nicht die einzige großformatige Dekorationsmalerei Pedro Schmiegelows. Beispielsweise beherbergt der Autohof Fulda-Nord ein monumentales Rhön-Panorama, das ursprünglich die Schalterhalle der abgebrochenen früheren Fuldaer Hauptpost geschmückt hat. Für das Hotel ‚Goldener Karpfen‘ in Fulda hat Schmiegelow ebenfalls 1926-28 fünf Rhönpanoramen geschaffen.

Wer sich selbst einen Eindruck der 2 ½ Quadratmeter Haselstein in Öl verschaffen will, kann dies während der Öffnungszeiten des Stadt- und Kreisgeschichtlichen Museums tun: täglich (außer montags und mittwochs) von 15 bis 17 Uhr, Hünfeld, Am Kirchplatz.

(akh – 22.11.2013)