2013 – Haus- und Hofnamen

Vorbemerkung: Im folgenden werden erste Ergebnisse zur Erforschung der Haselsteiner Haus- und Hofnamen vorgestellt. Zug um Zug sollen die noch fehlenden Anwesen nachgetragen und weitere Informationen ergänzt werden. Bei den Haus- und Hofnamen fällt zweierlei auf: Sie leiten sich im Regelfall von Vor- oder Familiennamen der Inhaber ab – alternativ von ausgeübten Berufen. Zuweilen prägt ein Sachverhalt, der nur für kurze Zeit bestanden hat, den Hausnamen noch viele Generationen später. Als Beispiel hierfür seien Daverees genannt: Die Familie Deppé genannt Davreux hatte das Anwesen Kreuzbergstraße 19 (Haus Nr. 9) für lediglich ca. zehn Jahre besessen.

Laden Sie hier die gesammelten Haus- und Hofnamen als PDF-Datei herunter: 2013 Haus-und Hofnamen

2012 – Wappen

Ein neues Wappen für Haselstein

Ein neues Wappen für Haselstein

Die heraldische Beschreibung lautet: Im silbern-grün geteilten Schild oben ein goldener Haselbruch, umgeben von neun goldenen Sternen. Unten ein durchgehendes schwarzes Kreuz. Die fachgerechte Umsetzung der Entwurfsidee hat der vom Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden empfohlene Heraldiker Dieter Schäfer aus Assenheim (Wetterau) übernommen. „2012 – Wappen“ weiterlesen

1858 – Backhäuser in Haselstein

Ein Beitrag zur Haus-und Hofgeschichte

Dem Haselsteiner Steuerkataster aus dem Jahr 1858 ist zu entnehmen, dass damals neben den beiden bekannten Gemeindebackhäuser noch mehrere Privatbackhäuser im Dorf existierten. Im folgenden soll über die Backhäuser und die Höfe, auf denen sie standen, einiges berichtet werden.

Wer bauen will, braucht neben einem Bauplatz, Steinen und Mörtel vor allein eines: eine Baugenehmigung. Das ist heute nichts anders als vor 100 oder 150 Jahren. Und damals wie heute ist dafür das Landratsamt in Hünfeld zuständig, seit 1972 als Außenstelle der Kreisverwaltung Fulda. Geändert hat sich allerdings der Aufwand, der mit Bauplänen, Statiken und anderen Unterlagen getrieben werden muss. Heutzutage füllen bereits die Unterlagen zur Errichtung eines einfachen Wohnhauses leicht einen Aktenordner. Der Bürokratie zu königlich-preußischer Zeit genügte, wie das Beispiel des Backhäuschens zeigt, das an der Abzweigung der Lindenstraße von der ‚Gänsgasse‘ gestanden hatte, noch ein Bogen Pauspapier im Format 28 x 35. Die Genehmigung ist der Einfachheit halber gleich auf der Rückseite vermerkt.

Laden Sie hier den gesamten Text als PDF-Datei herunter:  1858 Backhaeuser

1847 – Solches Stückchen Mauer die Bewohner erschlagen kann

Sicherungsmaßnahmen an der Ruine Haselstein 1846/47

In den letzten beiden Jahren sind am Schlossberg oberhalb der Häuser am Hainberg (Schlossbergstraße) umfangreiche Sicherungen vorgenommen worden.

An der Baustelle – 30. Sept. 2012

Ein stabiler Metallgitterzaun, fest im Boden verankert, soll künftigem Steinschlag vorbeugen. Auslöser für die Arbeiten war ein Felssturz im Januar 2011. Der abgestürzte Phonolith-Brocken von etwa einem halben Meter Durchmesser hatte geringen Sachschaden an einer Hausfassade angerichtet; verletzt wurde glücklicherweise niemand. Phonolith ist eine Unterart des Basalts und aufgrund seiner porösen Struktur vergleichsweise witterungsempfindlich. Auftraggeber für den Schutzzaun war die Landesforstverwaltung (HessenForst). Als Eigentümer des größten Teils des Schlossberges – nur der Ostabhang bis hinauf zu den Eselskellern gehört zum Schloss-Grundstück – steht sie in der Pflicht, das Dorf von Gefahren, die vom Berg ausgehen, abzuschirmen. „1847 – Solches Stückchen Mauer die Bewohner erschlagen kann“ weiterlesen

1817 – Vor 200 Jahren kam das Aus: Die Aufhebung des Amtes Haselstein

I.  Haselstein wird hessisch
Am 5. Februar 1816 kam, als Ergebnis des Wiener Kongresses, der größte Teil des vormaligen Fürstentums Fulda an Kurhessen. Die beiden Ämter Geisa und Dermbach gehörten seit 24. November 1815 zu Sachsen-Weimar . Seither verläuft zwischen Grüsselbach und Buttlar die Landesgrenze zwischen Hessen und Thüringen. Bei seinem ersten Besuch in Fulda als neuer Landesherr wurde Kurfürst Wilhelm I. von Hessen an der Grenzlinie der Leipziger Straße (heutige B 84) auf der Buttlarer Höhe von den Forst- und örtlichen Verwaltungsbeamten in Empfang genommen und bis Hünfeld bzw. Fulda eskortiert. Landbaumeister Karl Arnd (1788-1867) erinnert sich in seiner Autobiographie : „Die Postpferde wurden zur möglichsten Schnelligkeit angetrieben, ebenso schnell mußte die Reiterschar folgen. … Vierzehn Tage später fand ich den Amtmann Landvogt zu Haselstein krank zu Bette liegen; dieser Ritt hatte ihn auf das Krankenbett geworfen.“
Dieser ungute Beginn des hessischen Zeitalters für den Justizbeamten Anton Landvogt (1758-1832) sollte zum bösen Vorzeichen werden. Kaum ein Jahr später, am 22. April 1817, hat das Amt Haselstein nach über 500 Jahren aufgehört zu existieren. Der letzte Haselsteiner Amtsvogt bzw. Justizbeamte hatte dem Amt seit 1788 vorgestanden und es durch alle Krisen und Herrschaftswechsel seit der Säkularisation des Hochstifts Fulda 1802 geleitet . Er war seinem Vater Philipp Ignaz (1723–1791) nachgefolgt, der von 1756 bis 1788 amtierte, und der einzige gebürtige Haselsteiner auf dem Chefposten der Lokalverwaltung. Nach seiner Ausbildung, höhere Schule und Universität in Fulda, brauchte Anton Landvogt Haselstein nie mehr zu verlassen.

‚Haselstein im Fuldaischen‘ Anfang des 19. Jh.
(Lithographie von P.F. Arnd, Quelle: Landesbibliothek Fulda)

Dass das Amt Haselstein Teil Kurhessens wurde, war das Ergebnis schwieriger Verhandlungen zwischen Preußen, Kurhessen und Sachsen-Weimar im Anschluss an den Wiener Kongress. Nach Artikel 40 der am 9. Juni 1815 unterzeichneten Kongressakte erhielt Preußen den größeren, nördlichen Teil des Fuldaer Landes. Von Anfang an war die Weitergabe an Kurhessen, als Ausgleich für Gebietsabtretungen in Norddeutschland an das Königreich Hannover, vorgesehen. Diese waren wiederum Teil der Entschädigung Hannovers für das Herzogtum Lauenburg südöstlich von Hamburg. Dänemark erhielt Lauenburg von Hannover, weil es auf Norwegen zugunsten von Schweden verzichtet hatte. Schweden bekam Norwegen zugesprochen – so schließt sich der Kreis in der Feilscherei um Länder und Menschen – weil es Preußen Vorpommern mit Rügen abgetreten hatte. Als ob es nicht bereits kompliziert genug gewesen wäre, hatte sich Preußen weiterhin gegenüber Sachsen-Weimar verpflichtet, aus seinem Anteil an Fulda 27.000 Einwohner weiterzugeben. Die ohnehin in thüringisches Gebiet hineinragenden Ämter Geisa und Dermbach hatten zusammen allerdings nur an die 10.000 Menschen aufzuweisen. Daher waren die Ämter Eiterfeld, Hünfeld und Haselstein zunächst ebenfalls für Sachsen-Weimar vorgesehen.
Dies hätte für Kurhessen einen großen verkehrlichen Nachteil zur Folge gehabt. Die einzige Nord-Süd-Verbindung hätte, um das für Thüringen vorgesehene Hünfeld zu umgehen, das Haunetal in Burghaun verlassen müssen und wäre über den Mahlertshof, Michelsrombach und den Michelsrombacher Wald weiter nach Fulda verlaufen, an der schmalsten Stelle nur 6 km breit. Um eine bequemere Straßenverbindung zu schaffen und Hünfeld zu gewinnen, hat das Kurfürstentum das bis dahin hessische Vacha und Umgebung an das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach abgetreten und dafür Hünfeld, Eiterfeld und Haselstein erhalten. An Thüringen – und damit nach 1945 hinter den ‚Eisernen Vorhang‘ – gelangten vom Fürstentum Fulda nur mehr Geisa und Dermbach . Das Interesse des hessischen Kurfürsten an Hünfeld sollte weitreichende Folgen haben. Den Nachfahren der Eiterfelder, Hünfelder und Haselsteiner Amtsuntertanen blieb 140 Jahre später das Schicksal russischer Besatzung und der nachfolgenden DDR erspart.

II.  „Verlohnt sich nicht der wenigen Menschen wegen“
Hatte das Amt Haselstein auf und nach dem Wiener Kongress noch ausgesprochenes Glück gehabt, sollte die Zugehörigkeit zu Kurhessen bald einschneidende Veränderungen nach sich ziehen. Die in Fulda eingerichtete Regierungs- und Organisationskommission, an der Spitze die kurhessischen Beamten Regierungsvizepräsident von Porbeck und Oberkammerrat Carl Fulda, war insbesondere damit befasst, die Behörden im Fuldaer Land im Sinne der neuen Landeszugehörigkeit umzubilden. Der vorläufige Organisationsplan war im September fertiggestellt und mündete, nach Abstimmung mit den Kasseler Regierungsstellen und Genehmigung durch den Kurfürsten, in das Organisationsedikt vom 28. Dezember 1816. Der reaktionären Haltung Kurfürst Wilhelms I. entsprechend, ist eine Eingliederung in die Verwaltungsstruktur des übrigen Landes unterblieben. Für das Fuldaer Land wurden eigene Provinzialbehörden gebildet. Zudem blieb das fuldische Privat- und Kriminalrecht in Kraft.
Neugeordnet wurden auch die Verwaltungsämter auf dem Land. Erreicht wurde zum einen eine Angleichung der Rentereibezirke mit denen der Lokalverwaltung (Justizämter). Im Übrigen spielten finanzielle Erwägungen die entscheidende Rolle. Durch die Aufhebung von vier der bisherigen zwölf Ämter, rechneten die Räte von Porbeck und Fulda in ihrem Bericht vom 20. Oktober 1816 vor, waren jährlich 4.472 Gulden (fl.) an Gehältern einzusparen. Für an den verbleibenden Ämtern neu einzurichtende Stellen und Besoldungserhöhungen waren 3.593 fl. veranschlagt. Für die Staatskasse – Kurfürst Wilhelm I. galt als Landesherr mit „festhaltender, karg verschlossener Hand“ – verblieb somit noch ein Ueberschuß von 1.179 fl. Unberücksichtigt blieben jedoch die Belange der Untertanen, die künftig weitere Wege laufen mussten. Das hier praktizierte Verfahren findet sich bis in die heutige Zeit als Muster vieler Verwaltungs-„Reformen“. Getroffen hat es 1816 Johannesberg, Bieberstein, Wehrda und Haselstein. Mit ihren 3.561, 3.531, 2.682 und 3.051 „Seelen“ waren sie … so klein, daß es sich nicht verlohnte, der wenigen Menschen wegen ein eigenes Justiz Personale zu unterhalten.
Veröffentlicht in der kurhessischen Gesetzessammlung wurde das Organisationsedikt unter dem 28. Dezember 1816. Die Ämter selbst waren bereits unter dem 18. Dezember, als verfrühte und ungelegene Weihnachtsüberraschung, von ihrem Schicksal vorab in Kenntnis gesetzt worden. Die unmittelbare Reaktion war so, wie es auch heute der Fall sein würde. Die Benachteiligten bzw. vom Segen der Reform nicht Überzeugten wurden aktiv und versuchten, den Lauf der Dinge noch aufzuhalten. Bereits vom 2. Januar 1817 datiert die neunseitige Eingabe der Schultheißen aller Amtsortschaften an den Kurfürsten. Die Argumente für das Fortbestehen des Amtes Haselstein wurden in zehn Punkten vorgetragen. Sie wären nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen gewesen – hätte sich die Regierung in Kassel damit auseinander gesetzt. So verwiesen die Dorfvorsteher u.a. darauf, dass in Haselstein die „wichtigste Wildmeisterei“ des Fuldaer Landes angesiedelt war. Der vermehrte Arbeitsanfall infolge der großen Haselsteiner Waldungen mit Forstsachen und der Verfolgung von Waldfreveln wurde der geringen Einwohnerzahl entgegen gehalten, mit der die Aufhebung von der Regierungs-kommission begründet wurde. Mit ihrer Vorhersage, dass die sehr geräumige und vortrefflich eingerichtete Gebäude … zu nichts anderem wohl verwendet werden können, bewiesen die Schultheißen geradezu prophetische Fähigkeiten. Volle zehn Jahre sollte die kurhessische Verwaltung ab 1824 versuchen, einen Käufer für das Haselsteiner Schloss zu finden. Für die schließlich gefundene Verwendung als Försterdienstgehöft war die Anlage weit überdimensioniert.
Ohne auf die vorgetragenen Argumente einzugehen, lautete der Bescheid aus Kassel lapidar: S[eine] K[önigliche] Hoheit haben mittelß allerhöchster Resolution vom 24. Januar die … von sämtlichen dortigen Ortsgemeinden … vorgetragene Bitte abschlägig beschieden … . Die Feststellung, wonach, geographisch beurtheilt, die sehr gute und kurze Wege die thätigste Verfolgung der Untergebenen=Angelegenheiten vor dem berührten Gerichte [Haselstein] begünstigen, hatte Wilhelm I. ebenso wenig beeindruckt wie die Berufung auf deutsche Traditionen und die hinter Schmeicheleien versteckten Drohung, die Untertanen-Treue aufgekündigt zu sehen: Das theuerste Glück wurde dem Fulda=Gebiete bei dessen Einverleibung in Eure Höchstverehrlichte Staaten [zuteil], und ist diese Provinz um so mehr mit ewigem Dank= und Wonne=Gefühle beseelt, als der herrlichste Grundsaz Deutscher höchster Allianz: mit dem allgemein garantirten Frieden die Germaniens … Ansehen immer so ersprießlich gewesenen alten Gerechtsamen, Gewohnheiten, Statuten u. d. gl. fortwährend zu erhalten und zu schützen, wohlthätigst auch Eure blühendste Lande einschloß, und jedem Menschen=Herzen in den erhabensten Zügen sich zu erkennen gab.
Dem Gerüchte zu Folge sollen manche Veränderungen mit den Justizämtern Fuldas vorgehen, und ein ähnliches Schicksal dem Amtsbezirke Haselstein bevorstehen. Falls ein solches Loos einträte, so würde dies den ursprünglichen und alten Unterthans=Verhältnissen nicht wohl freundschaftlich entgegen kommen können.
Eine weitere Bittschrift, diesmal gemeinsam mit den Gemeinden des aufnehmenden Amts Eiterfeld und des zur Aufhebung vorgesehenen Amts Bieberstein, fand ebenfalls kein Gehör . Die Liquidierung der aufzuhebenden Ämter wurde zügig vorangetrieben. Insbesondere waren die Akten und Amtsbücher der laufenden Vorgänge zur Übergabe vorzubereiten. Schlusspunkt war jeweils die offizielle Neukonstituierung der verbliebenen Ämter. Neben der Einweisung der Bediensteten wurde jeder einzelne Schultheiß für sein Dorf per Handschlag (handtreulich) auf die Amtszugehörigkeit verpflichtet. Mit dem Organisationsedikt wurden die neun Haselsteiner Amtsdörfer auf die benachbarten Justizämter Eiterfeld und Hünfeld verteilt. Der weitaus größere Teil gelangte ans Amt Eiterfeld: Soisdorf, Treischfeld, Großentaft, Grüsselbach und Rasdorf mit zusammen 2.200 Einwohnern. Kirchhasel, Setzelbach, Stendorf und Haselstein selbst (insgesamt 900 Einwohner) wurden Hünfeld zugewiesen.

III.  Hünfeld und Eiterfeld: Das Amt Haselstein wird verteilt Übergabeverhandlung in Hünfeld war am 20. März 1817 im Justiz-amtsgebäude am Anger, nachmaliger Gasthof ‚Zum Grünen Baum‘ und 1962 abgebrochen. Die Ladung war in Haselstein nur Stunden vorher, nachts um 0.45 Uhr, eingetroffen. Für Kirchhasel und Stendorf waren die Schultheißen Johann Wehner und Jörg Kalb erschienen. Verspätet (ex post) trafen die Schultheißen von Setzelbach, Johannes Will , und Haselstein, Johann Adam Mihm, ein. Mihm (1765 – 1849), Wagner von Beruf, amtierte als Schultheiß zwischen 1814 und 1818 . Er war zugleich der letzte Haselsteiner Amtsbote. Als Hausname ist ‚Amtsbote‘ dem Anwesen Lindenstraße 10 erhalten geblieben.
Für das untergehende Amt Haselstein erschien zur Aktenabgabe, ebenfalls verspätet, Aktuar Friedrich Simon. Während die Justizakten bereits vollständig verzeichnet waren, fehlte die Auflistung der Verwaltungsvorgänge, die der Bürovorsteher binnen 8 Tagen nachzuliefern versprach. Vom ebenfalls aufgehobenen Amt Bieberstein erhielt Hünfeld weiterhin die Orte des oberen Nüsttals – Gotthards, Schwarzbach, Obernüst, Wallings, Boxberg, Mahlerts, Unterbernhards – sowie Rödergrund und Wittges. Abgegeben ans Amt Burghaun wurde Hünhan. Die Einwohnerzahl des Amts Hünfeld stieg von 5.200 auf 7.300.

Hünfelder Anger um 1950, links der ‚Grüne Baum‘ (1817 Amtshaus), rechts das Landratsamt (heute Kegelspielhaus); Quelle: Stadtarchiv Hünfeld

Zum Justizamtmann des vergrößerten Amts Hünfeld wurde der gebürtige Wehrdaer Friedrich Fondy (geb. 1784) ernannt. Seit 1814 Amtmann in seinem Geburtsort, hatte er durch die Eingliederung des Gerichts Wehrda in das Justizamt Burghaun diese Funktion verloren. Obwohl zunächst für Hünfeld vorgesehen, wechselte Fondy 1821 als erster Landrat nach Fulda (bis 1841). Sein Vorgänger als Justizbeamter in Hünfeld war seit 1811 Fritz Landvogt (1764-1816), der jüngere Bruder des scheidenden Haselsteiner Amtmanns. Anders als den älteren Bruder Anton hat Fritz Landvogt sein beruflicher Werdegang auf diversen Stationen kreuz und quer durchs ehemalige Hochstift Fulda geführt. In Hünfeld fiel ihm nach der verlorenen Völkerschlacht die Aufgabe zu, am 27./28. Oktober 1813 Kaiser Napoleon bei dessen letzter Durchreise im Amtshaus zu beherbergen. Nach längerer Krankheit war Fritz Landvogt am 20. Februar 1816 verstorben.
Für einige Wochen bestand nun die kuriose Situation, dass die Verwaltung im Haselsteiner Schloss weiterhin für die an Eiterfeld abzugebenden Dörfer tätig war, der Amtssitz Haselstein aber diesem ‚Rest-Amt‘ schon gar nicht mehr angehörte. Die Konstituierung des erweiterten Amts Eiterfeld am 22. April 1817 besiegelte das Ende des Amtes Haselstein dann vollständig. Wie schon in Hünfeld, nahm Regierungsrat Knorz von der kurhessischen Provinzialregierung in Fulda die Verpflichtungen vor. Laut Protokoll wurde für die vom Amt Haselstein kommenden Dörfer die Constitution des Amtes Eiterfeld … folgendermaßen vorgenommen: Commissarius [Reg.-Rat Knorz] ließ zuerst die Schulzen der von dem Amte Haselstein an das Amt Eiterfeld dem allerh.[öchsten] Org. Edicte gemäß zugewiesenen Ortschaften, namentlich
Caspar Wiegand, Schultheis von Rasdorf
Joh.[ann] Adam Baumann, Großentaft
Conrad Hohmann, Soisdorf
Joseph Schaefer, Treischfeld
Caspar Schreiber, Grüsselbach
vorkommen, eröffnete denselben, daß nach dem allerh. Org. Edicte diese Ortschaften, wovon sie die Schulzen seyen, dem Amte Eiterfeld zugewiesen worden, daß die provisorische Administration des Amtes Haselstein von itzt an aufhöre, daß sie dieses in ihren Ortschaften bekannt zu machen und in allen ihren administrative und Rechts angelegenheiten nunmehr und von itzt an sich an das Amt Eiterfeld zu wenden hätten, worauf man sie die gewöhnliche Handtreue dem Beamten Simon [von Eiterfeld] ablegen ließ. Weiterhin wurden dem Amt Eiterfeld die Dörfer der beiden vordem ritterschaftlichen Bezirke Buchenau (1.300 Einwohner) und Mansbach (1.050) angegliedert. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich von 4.050 auf 8.500.

Amtshaus Eiterfeld, heute Rathaus (2016)

Für diesen Zuwachs war das Amtshaus in Eiterfeld – errichtet 1712 für das fuldische Oberamt Fürsteneck , später Amtsgericht und heute Rathaus der Großgemeinde Eiterfeld – jedoch zu klein. In der ohnedies sehr kleinen Amtsstube sei eine doppelte Amtierung nicht möglich. Der zur Unterstützung des Justizbeamten vorgesehene Assessor sollte daher in Rasdorf seinen Dienstsitz nehmen, wo ein herrschaftliches Wohnhaus (vermutlich das Stiftsherrenhaus) zur Verfügung stand. Auch mussten die abzugebenden Akten zu Haselstein einstweilen … verbleiben …, da sie wegen dem Mangel des Locals in Eiterfeld nicht untergebracht werden könnten. Damit blieb dem Haselsteiner Aktuar Friedrich Simon – als letzte Amtshandlung – lediglich, die mitgebrachten drei Aktenverzeichnisse abzugeben. Danach wurde ihm, dessen Function sich nun … erledigt [hatte], aufgegeben, so bald als möglich nach Salmünster an seinen ihm allergnädigst conferirten Posten abzureisen. Seinem bisherigen Vorgesetzten, Amtmann Landvogt in Haselstein, hatte Aktuar Simon noch auszurichten, das Haselsteiner Siegel, das nun nicht mehr verwendet werden durfte, an die Provinzialregierung in Fulda einzuschicken.

Haselsteiner Amtssiegel 1810-1814 (während der Zeit des Großherzogtums Frankfurt)

Dieser war übrigens, wie auch vier Wochen zuvor in Hünfeld, zur Liquidierung seines Amtes nicht erschienen und hatte sich mit Krankheit entschuldigt. Seine Meldung vom 20. März enthielt eine nachdrückliche Darstellung seiner Beschwerden: Ich leide heftig an Hermoroidal-Umständen, bösem Kartarr, Schnupfen und Schwäche besonders an Augen. Ich bin bey der ohnehin sehr ungünstigen Witterung nicht im Stande auf irgend eine Weise . . . persönlich zu erscheinen. Beim Lesen drängt sich die Frage auf, wieviel Wahrheit in dieser Krankmeldung steckte, oder nicht doch Ausdruck eines stillen Protests war.

IV.  Verloren und verstreut: Der Kampf um die Akten
Am 22. April 1817 hat das Amt Haselstein nach über 500-jährigem Bestehen sein formelles Ende gefunden. Die tatsächliche Abwicklung sollte noch weitere knapp 30 Jahre in Anspruch nehmen. So lange hat sich die Prüfung der Abrechnungen von Amtmann Anton Landvogt für die letzten beiden Jahre vor der Aufhebung (1815 – April 1817) hingezogen. Das Ergebnis, ein Fehlbetrag von 1.679 fl., war erst im November 1836 – 4 ½ Jahre nach dem Tod Landvogts – ermittelt. Für dessen Schuld in Anspruch genommen wurden seine vier noch lebenden Töchter als Erbinnen. Diese versuchten, am Ende erfolglos, die Zahlungen noch abzuwenden, was sich weitere neun Jahre bis 1845 hinziehen sollte. Auch die Abwicklung der Kriegsfolgen aus der Franzosenzeit (1806-14) hat sich lange hingezogen. Im Jahr 1807 waren Philipp Stehling aus Setzelbach und Johann Adam Bock aus Rasdorf als Rekruten zum Westfälischen Regiment für Napoleons Krieg in Spanien eingezogen worden. Dort sind sie zurück geblieben, d.h. verschollen. Knapp zwanzig Jahre später, 1825, forderten die Erben seinerzeit nicht ausbezahlten Sold nach. Nach den 1807 geltenden Rekrutierungsvorschriften hatten die Ämter, aus denen sie stammten, die Löhnung der Soldaten aufzubringen. Obwohl seit Jahren aufgelöst, wurde das Amt Haselstein zu diesem Zweck nochmals ‚reaktiviert‘. Die Soldnachzahlung wurde entsprechend den seinerzeitigen Kriegskosten-Umlagen (Erhebung sog. Steuersimplen) auf die Einwohner der Haselsteiner Amtsdörfer umgelegt und erhoben.
Ebenfalls über viele Jahre hinziehen sollte sich die Abgabe des von der Haselsteiner Verwaltung hinterlassenen Aktenmaterials. Wie bereits erwähnt, musste ein Gutteil davon wegen Platzmangels in Eiterfeld im Schloss Haselstein verbleiben. Schwierigkeiten waren vorprogrammiert, wie die Beschwerde eines Gläubigers aus dem Jahr 1819 zeigt. Als Nachweis bei Gericht benötigte Akten seien nicht bzw. nur mühsam zu beschaffen, weil der pensionierte Beamte Landvogt die Mitarbeit verweigere. Um keinen Preis sei er bereit, Akten herauszusuchen. Dies erledige stattdessen der Lehrer Gartenhof. Das Justizamt Eiterfeld wurde daraufhin angewiesen, neue Aktenschränke anfertigen zu lassen und die Akten der nunmehr zu Eiterfeld gehörigen Dörfer aus Haselstein abzuholen . Diese Anweisung wurde, wenn überhaupt, nur teilweise befolgt. Der vollständige Abtransport ist erst Ende Mai 1834, über zwei Jahre nach dem Tod Anton Landvogts, erfolgt. Der Verwalter des Lyzeumsfonds, der in dem Landvogtschen Nachlass Nachweise zu dessen vom aufgehobenen Kollegiatstift Rasdorf stammenden Besitzungen zu finden hoffte, schrieb: Der vor einiger Zeit [23. März 1832] zu Haselstein verstorbene Commissions-Rath Landvogt hat unter Anderem eine Menge Acten, Register und Verwaltungs=Papiere hinterlassen, deren Ablieferung an die betreffenden Behörden noch zur Zeit nicht erfolgt ist. Bey verschiedenen Gelegenheiten habe ich aus den Arbeiten des Rubrikanten wahrgenommen; daß er über Gegenstände Auskunft und Nachweisungen zu ertheilen im Stande war, wozu ihm alte Register und Urkunden absolut erforderlich gewesen sind. … [B]ekanntlich [hatte] der Commissions=Rath Landvogt als früherer Justiz= und Verwaltungs=Beamter zu Haselstein die ersten und beßten Quellen und [soll] aus seiner Registratur wenig verabfolgt haben.
Das dem pensionierten Amtmann zugeschriebene Bestreben, noch als Ruheständler die Hand auf ‚seinen‘ Akten zu behalten, erklärt einen weiteren Vorfall aus dem Jahr 1818. Urkunden ebenfalls des Lyzeumsfonds waren über Monate weder in Haselstein noch in Eiterfeld aufzutreiben gewesen. Erst nach Drohung der Regierung in Fulda, mit strengen Maßregeln … würde eingeschritten werden, hat Anton Landvogt diese doch noch in Haselstein „aufgestöbert“: Dieße Akten haben sich des vielen Nachsuchens, Korrespondenzen mit dem Amte Eiterfeld und dem H. Aktuar Simon in Saalmünster unerachtet, nun erst vor Kurzem vorgefunden, und sind … nach Eiterfeld abgesendet worden. Für den Geschichtsforscher wären die zurückgehaltenen Unterlagen eine reichhaltige Fundgrube geworden. Doch sind sie nach dem Tod Anton Landvogts in alle Winde zerstreut worden und nur ein kleinerer Teil gelangte ins Archiv. Dabei handelt es sich überwiegend um Amtsbücher, insbesondere die Salbücher von 1560 und 1712 , Steuerkataster und Erbzinsregister sowie einzelne Bände der Gerichts – und weiterer Protokolle aus dem 18. Jahrhundert. Bei den in Marburg befindlichen Rechnungen, darunter die reichhaltige Quelle der Amtsrechnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, handelt es sich um die Exemplare, die an die fürstliche Rentkammer in Fulda bzw. andere Zentralbehörden abgeliefert wurden. Die Sachakten sind bis auf wenige Stücke aus der Zeit ab etwa 1790 vollständig verloren. Ins Marburger Archiv sind 15 Aktenstücke gelangt ; die Mehrzahl hat Grenzirrungen mit dem Amt Geisa bzw. dem Gericht Mansbach zum Gegenstand. Auf nicht nachvollziehbarem Weg – der Stadtmagistrat ist keine Nachfolgebehörde des Amts Haselstein – sind weitere Akten im Stadtarchiv Hünfeld gelandet. Sie enthalten überwiegend Justizsachen (Ehe- und Kaufverträge, Konkurssachen) aus der Zeit nach 1802. Besonders aufschlussreich ist die ‚Spezialrechnung über erlittene Kriegsschäden des Amtes Haselstein‘ vom 1. Okt. 1806 bis 30. Juni 1810, die auch Eingang in die regionale Geschichtsschreibung gefunden hat.

V.  Das Leben geht weiter: Was wurde aus den Mitarbeitern?
Für die Bediensteten bedeutete die Aufhebung des Amtes Haselstein ebenfalls eine einschneidende Veränderung: Versetzung oder – wie im Falle des 59-jährigen Amtmannes Landvogt – Ruhestand. Friedrich Simon, als Aktuar Büroleiter und Assistent des Amtmanns, wurde, wie oben berichtet, in gleicher Funktion nach Salmünster versetzt. Um 1788 in Fulda geboren , stammt er aus einer eingesessenen alt-fuldischen Beamtenfamilie. Angehörige haben vom 17. bis 19. Jh. diverse Funktionen bei Hofe sowie in Ämtern auf dem Land ausgeübt. In Haselstein war Friedrich Simon, in der Nachfolge des verstorbenen Aktuars Anton Uth, seit Sommer 1813 tätig.
Letzter Amtsdiener war der aus Großentaft stammende Sebastian Baumann (1780-1860). 1806 haben er und Anna Margaretha Biensack geheiratet. In der Folge hat er von seinem Schwiegervater Christoph Biensack in dritter Generation die Position des Amtsdieners übernommen. Bereits Peter Biensack, der Vater von Schwiegervater Christoph, war seit 1727 als Amtsdiener nachgewiesen. 1727 erscheint dieser noch als Freybott (Freibote), spätestens ab 1733 heißt es dann Amtsdiener. Im Zuge der Auflösung des Amtes Haselstein ist Sebastian Baumann in gleicher Funktion an das Justizamt nach Hünfeld versetzt worden . Hier ist er 1860 gestorben. Dem Haselsteiner Amtsdiener und seiner Familie stand ein eigenes Dienstgehöft, das ‚Amtsdiener-Häuschen‘, zur Verfügung. Dieses befand sich, außerhalb des Schlossareals, oberhalb der Kirche am sogenannten Kirchweg bzw. alten Schloßweg. Von diesem ist heute nur mehr der von der Schlossbergstraße bergwärts abzweigende Stichweg übrig, der die Häuser Schlossbergstraße 12 und 14 erschließt. Durch heute verwildertes Gelände verlief er oberhalb von Kirche und Schloss weiter zu den Eselskellern und auf den Gipfel des Schlossbergs. Im ‚Amtsdiener-Häuschen‘ war auch das sogenannte ‚Gehorsam‘ zur Unterbringung von Gefangenen eingerichtet. Im Schloss selbst wurde niemand eingesperrt. 1824 ist das Amtsdiener-Dienstgehöft von der Kurhessischen Regierung veräußert worden. Amtsdiener Baumann war nach seinem Wegzug nach Hünfeld zugestanden worden, es auf seine Rechnung zu verpachten. Er hat die Baulichkeiten, so der Bericht der Finanzkammer Fulda, jedoch verwahrlosen lassen, so dass viele Reparaturkosten verwendet werden müßten, um deren gänzlichen Verfall vorzubeugen. Das heutige Anwesen Schlossbergstraße 8 (früher Haus Nr. 40) geht auf das ‚Amtsdiener-Häuschen‘ zurück.
In den Jahren nach der Aufhebung des Amtes sind noch weitere Nebengebäude des Haselsteiner Schlosses veräußert bzw. abgerissen worden. Bereits 1819 waren zwei Scheunen im Dorf, an der Drachenwiese gelegen, an Franz Thomas, Inhaber der Haselsteiner Amtswirtschaft , für 875 fl. veräußert. Er hatte sie hauptsächlich in der Absicht gekauft …, um solche an Abgebrannte zu Buttlar zur Wiederherstellung ihrer Gebäude wieder zu verkaufen. Die Scheunen haben am Abzweig Kreuzbergstraße/ Großenbacherstraße (Anwesen Kreuzbergstraße 25/27) gestanden, wie ein erhaltener Lageplan aus dem Jahr 1792 zeigt :

Hofreite des Forstaufsehers Rausch, Wild- u. Drachenscheuer (Lageplan 1792, heute Kreuzbergstr. 25/27); Quelle: StAM 86, Nr. 21282.

Beschrieben finden sie sich in den Akten zur Amtsvisitation 1765 : 1 Scheuer An der Drachen=Wießen unten im Dorff ist bis auf die beede Scheuer=Thor, so sehr ruinos, noch in gutem Stand, … dermahlen … liegt das Herrschaftl. Futter darinnen, …, Das Herrschaftl. Zeig Hauß an der Drachen=Wießen ist in gutem Stand, und seynd die Jagd=Stäbe darinnen aufbehalten. Hier etwas hochtrabend als ‚Zeughaus‘ bezeichnet, wurden in der ‚Wildscheuer‘ die Waffen und Utensilien für die von der Hasel-steiner Wildmeisterei organisierten (Treib-)Jagden verwahrt. Unmittel-bar neben den beiden Scheunen stand das Wohnhaus von Andreas Rausch, der Vorgängerbau der heutigen Kreuzbergstraße 25 (ehemals Haus Nr. 5). Im 18. und 19. Jahrhundert stellte die Familie Rausch über mindestens drei Generationen den Haselsteiner Forstaufseher (‚Forstläufer‘). Wegen Baufälligkeit wurde im Februar/März 1821 die sog. Schwengelscheuer abgerissen. Sie stand unmittelbar vor der Einfahrt in den Schlosshof, auf der rechten Seite. Ein weiteres Wirtschaftsgebäude mit Stallung und Backhaus stand zwischen Schloss und Kirche und wurde Anfang des 20. Jh. abgebrochen. Zum Haselsteiner Schloss gehörten bei Aufhebung des Amtes 1817 insgesamt fünf Wirtschaftsgebäude, in denen einst die Naturalabgaben bzw. der Ernteertrag der Fronhöfe des Amtes eingelagert wurden. Überdauert hat nur die ‚Zehntscheune‘ am nördlichen Ende des Schlosshofs.
Seinen Dienst fortführen konnte auch nach Auflösung des Amts der Amtsbote Johann Adam Mihm (1765-1849). Die Amtsboten beförderten nicht nur die Sendungen der (Justiz-)Ämter, sondern auch anderer öffentlicher Stellen, wie Pfarreien, Rentämter, Förstereien etc., sowie Privatpost In der Begründung seines Rücktritts als Schultheiß vom Dezember 1817 gibt er an, den Amtsbotendienst seit ca. 1792 durchgehend auszuüben: … ich habe keine Bauerei wo von ich mich Ernähren kann, sondern meinen Verdienst mus ich Suchen, durch den Amtsbothendienst welchen ich schon 25 Jahre hindurch versehen habe, und durch meine gelernte Wag[n]erei Profession, welche Letzterer Verdinst mir in den Vier letzten Jahren gantz durch den Geschäften des Schultheisen Dienstes erloschen sind. Ausweislich der Haselsteiner Kirchenrechnung war Mihm 1831 noch als Amtsbote tätig. Der Amtsbote Mihm hat auch Eingang in die Literatur gefunden. Konrad Pfaff (1822-1861), Sohn des Mackenzeller Rentmeisters Joseph Pfaff, hat als Kind den alten Amtsboten Mihm kennengelernt und in seiner Novelle ‚Wildmeisters Röschen‘ beschrieben: „Ein alter, einfacher und grundehrlicher Mann, der Amtsbote von Haselstein, Johann Adam Mihm, welcher viele Jahre schon jeden Mittwoch und Sonnabend die Briefe und Aufträge der Beamten und Geistlichen von Haselstein und Mackenzell in die Residenzstadt brachte und hier Briefe, Zeitungen und Lebensbedürfnisse in Empfang nahm, um sie treulich an seine Gönner abzuliefern.“ Er war „ein großer Mann, in einem weißlich-grauen Rocke“ und trug einen „schweren Ranzen mit einem Kalbfellüberzuge“.

VI.  „Allgemeine Zufriedenheit verbreitet“
Justizbeamter Anton Landvogt schließlich war bei der Aufhebung seines Amtes 59 Jahre alt. Eine Versetzung blieb ihm, der im Haselsteiner Schloss schon geboren und aufgewachsen war, erspart. Die Kurhessische Organisationskommission hatte seine Pensionierung verfügt: Dieser Mann giebt sich zwar alle Mühe, um mit seiner Arbeit fertig zu werden, arbeitet von des Morgens bis in die Nacht; allein er ist diesem Geschäfte nicht mehr gewachsen. Es häufen sich bey ihm die Rückstände, obgleich sein Amt nur in 3000 Seelen besteht… Jedoch müssen wir … bemerken, daß derselbe nur ungern in den Ruhestand übergehen wird, da er gern arbeitet, und nur dem Dienst eines Beamten nicht mehr vorstehen kann. Wir stellen daher anheim, ob E.[ure] K.[urfürstliche] H.[oheit] allergnädigst geruhen wollen, … denselben … zum Commissionsrath mit dem Beifügen zu ernennen, daß derselbe sich einzelnen Aufträgen der höhern Behörden ferner unterziehen solle. Landvogts Pension war komfortabel. Er erhielt sein bisheriges Jahresgehalt (1.346 fl.), vermindert um die Zahlungen für Pferde-Fourage und zur Unterhaltung des in seinen Haushalt aufgenommenen Aktuars, so dass ihm 1.120 fl. blieben. Damit war die durch Aufhebung der Ämter Bieberstein, Johannesberg, Wehrda und Haselstein rechnerisch erzielte Ersparnis von Personalkosten (1.178 fl.) bereits annähernd zunichte – und Landvogt war nicht der einzige zu versorgende Pensionär.
Anton Landvogt waren noch fast 15 Jahre als Ruheständler beschieden. Er starb, 73-jährig, am 23. März 1832 im Schloss Haselstein, wo er bereits zur Welt gekommen war. Seine Frau Barbara geb. Dotter – ihr Vater war Amtsvogt in Herbstein und später in Weyhers – war bereits 1806 verstorben. Das Ehepaar hatte elf gemeinsame Kinder; davon waren vier als Säuglinge gestorben. Beim Vater im Schloss lebte noch die unverheiratete Tochter Maria Amalia (geb. 1798) : 4.400 Kubikmeter umbauten Raums für zwei Personen. Die jüngste Tochter Katharina Theresia (geb. 1803) war im Dorf verheiratet, und zwar mit dem seit 1820 in Haselstein tätigen Revierförster Johann Baptist Denner . Dem pensionierten Amtmann waren auf dessen besonderes Nachsuchen, durch eine Verfügung der vormaligen Finanzkammer zu Fulda vom 29. Juli 1823, die bisher inne gehabten dasigen Schloßgebäude, nebst dem daran stoßenden kleinen Gärtchen für ein jährliches Pachtgeld von 50 fl auf unbestimmte Zeit pachtweise zugesichert, ohne daß darüber ein besonderer Miethvertrag mit demselben abgeschlossen worden ist. Anton Landvogt hatte gut daran getan, sich eine formelle Zusicherung geben zu lassen. Denn ab 1824 versuchte der Kurhessische Staat, das nunmehr für den landesherrlichen Dienst entbehrliche Schloss Haselstein, allerdings ohne die zugehörigen Äcker und Wiesen, zu verkaufen. Bei mehreren Versteigerungsterminen im Sommer 1825 hatte jedoch niemand geboten. Daraufhin zielten die Bemühungen auf einen Verkauf an die Gemeinde Haselstein, welche dem Vernehmen nach diese Gebäude demnächst zu einem Pfarr= und Schulhause zu benutzen wünscht … Die Gemeinde war auch grundsätzlich zum Ankauf bereit, allerdings nur mitsamt der Nutzflächen. Deren Pachterlöse hätten zur Refinanzierung von Erwerb und Unterhalt dienen können. Selbst unpäßlich, sah sich Mieter Landvogt aus Sorge vor einem Verkauf an die Dorfnachbarn gleichwohl veranlasst, seinen Schwiegersohn Denner zum Termin zu schicken und vor möglichen ‚Schleichgeboten‘ der Haselsteiner zu warnen .

Schloss Haselstein 1826 – Die Amtsräume befanden sich hinter den Fenstern im 1. Stock, rechts des Treppenturms (Nordseite). Quelle; StAM, Karten P II, Nr. 2685

Nach Ablauf der Pachtzeit für die Äcker und Wiesen 1829 nahmen die Dinge jedoch eine andere Wendung. Im Januar 1830 regte die Finanzkammer Hanau – unter Hinweis auf den Umstand, dass Förster Denner der Schwiegersohn Anton Landvogts war – an, das bisherige Försterhaus statt des Schlosses zu veräußern und das Schloss als Försterwohnung zu nutzen. Beim ‚Försterhaus‘ handelt es sich um die heutige Gastwirtschaft (Schlossbergstraße 2). Es war um 1730 vom damaligen Amtsvogt Johann Leonhard Mägerlein privat erbaut worden. Seit ca. 1770 diente der ‚Mägerleinsche Hof‘ dann als Wildmeisterei bzw. Förstereigehöft. Kaum, dass Anton Landvogt das Zeitliche gesegnet hatte, wurde der Plan umgesetzt. Unter dem 28. März 1832, ganze fünf Tage nach seinem Tod, wird die Finanzkammer Hanau beim Ministerium in Kassel vorstellig und meldet, dass der bisherige Bewohner der gedachten Schloßgebäude zu Haselstein, Commissions=Rath Landvogt, vor einigen Tagen mit Tod abgegangen ist, und daher die anderweitige Verwendung dieser Gebäude dermalen, des bisherigen Bewohners wegen, keiner Schwierigkeit unterliegt, so erlauben wir uns diese Angelegenheit in hochgeneigte Erinnerung zu bringen. Die Versteigerung kommt dennoch erst 1834 zustande. Der Haselsteiner Wirt Franz Thomas – sein Bruder Anton war von 1805 – 1821 erster Oberbürgermeister (Stadtvorstand) von Fulda gewesen – war mit 1.223 fl. Meistbietender. Die Försterfamilie Denner zog um ins Schloss. Es sollte für die nächsten 110 Jahre, bis 1947, Försterei bleiben.
In den folgenden Jahrzehnten verblasste im Ort die Erinnerung an das Amt Haselstein und seinen letzten Amtmann relativ schnell. 50 Jahre nach Landvogts Tod, um 1880, ist die erste Haselsteiner Ortsgeschichte entstanden. Sein Name war bereits vergessen, wie eine auch später nicht gefüllte Auslassung im Text zeigt: Der letzte Amtsvogt, ein sehr strenger Mann namens ______________, liegt am hiesigen Totenhofe begraben. Noch jetzt erzählen die alten Leute, wie streng dieser Mann war, und können die Hiebe nicht vergessen, die ausgeteilt worden sind. Unterlagen, die belegen könnten, inwieweit Anfang des 19. Jahrhunderts Ordnungswidrigkeiten und kleine Vergehen noch mit der Prügelstrafe geahndet wurden, sind für das Amt Haselstein nicht bekannt. Eine Einschätzung, inwieweit die wenig schmeichelhafte Charakterisierung den Tatsachen entsprach oder das Ergebnis übertriebener „Spinnstubenerzählungen“ war, ist daher nicht möglich. Zu Lebzeiten ist dem Amtmann Landvogt von seinen Untertanen jedoch ein unzweifelhaft positives Zeugnis ausgestellt worden. In ihrer Bittschrift vom 2. Januar 1817 zur Beibehaltung des Amtes Haselstein schreiben die Schultheißen der neun Amtsdörfer u.a.: Verband der Beamte dieser Justiz=Stelle mit grenzenlosem Streben in Friedens= und Kriegszeiten zugleich eine sehr große praktische Umsicht, welche den jedesmaligen Wünschen und Hoffnungen der Unterwörfigen zum Ziele den bestmöglichsten Vorschub leistete, und so allgemeine Zufriedenheit verbreitete.

VII.  „Abgelegen und still“: Haselstein seit 1817
Am 22. April 1817 ging zu Ende, was mehr als 500 Jahre zuvor seinen Anfang genommen hatte. Das ‚Amt der Burg Haselstein‘ (officii castri in Hasilstein) hat mindestens seit 1282 bestanden. In einer am 5. November in Mainz ausgestellten Königsurkunde Rudolfs von Habsburg ist es erstmals erwähnt. Zudem erscheinen die Ritter Rabenold und Herting von Haselstein, als Vertreter der Dienstmannschaft des Klosters Fulda, in einer prominenten Zeugenreihe. Das Amt Haselstein geht auf das späte Mittelalter zurück; die Anfänge spielten sich noch auf der mittelalterlichen Burg ab, unter Beteiligung der Ritter von Haselstein. Es ist mindestens 535 Jahre alt geworden und hat den Alltag in Haselstein über Jahrhunderte geprägt und belebt:
Aus den übrigen Amtsdörfern bis hinunter nach Soisdorf kamen die Nachbarn, die ihre Behördengänge im Schloss erledigten. Amtsstunden wurden zuletzt dienstags bis samstags abgehalten: von April bis September von 7 bis 12 Uhr, im Winterhalbjahr morgens ab 8 Uhr. In der Geschäftsordnung von 1806 wurde gemahnt, sich vor seinem Zutritte vor Amt mit Geld zu versehen und die erwachsenden Gebühren sogleich zu bezahlen … (§ 7). Auch waren Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Disziplin getroffen (§ 8): Wer ungemeldet in die Amts Stube eintritt, oder vor derselben lermt, zankt oder sonstigen Unfug treibt, wird das erstemal mit 1 fl. oder durch Einsteckung ins Gehorsam gestraft.

Joh. Andreas Herrlein: Gerichtsszene auf Bieberstein
Wie eine Gerichtsverhandlung in den fuldischen Oberämtern ausgesehen hat, ist durch ein Gemälde Johann Andreas Herrleins (1723-1796) aus Bieberstein überliefert (Vonderau-Museum Fulda, II C 305). Die Rolle, den Streit der beiden Familien lebhaft vorzutragen, weist der Künstler den Frauen zu, während die begleitenden (Ehe-)Männer eher peinlich berührt wirken und der Sohn der einen Streitenden sich verängstigt an den Rockzipfel klammert. Ungerührt der Junge des vernehmenden Amtsvogts, der zu Füßen des Vaters den schlafenden Hund traktiert. Auf rot gepolstertem Sessel und hell gekleidet, ist der Amtsvogt die Hauptperson. Neben ihm (sitzend) nimmt der Schreiber (Aktuar) das Wortprotokoll auf. ‚Für alle Fälle‘ bereit steht der Amtsdiener, im dunklen Gehrock und den roten Bortenhut unter den Arm geklemmt.

Nach Übernahme der Verwaltung 1788 hat Anton Landvogt die Amtsräume in den ersten Stock in die Nordost-Ecke des Schlosses verlegt. Dieses war zuvor für Aufenthalte des Oberamtmanns vorgesehen. Zuvor hatten sich die Amtsräume im 2. Stockwerk in den Zimmern an der Giebelseite zur Kirche hin befunden. Die Verwaltung in der neuen Amtsstube war dann wie folgt eingerichtet: 6 fenster, ein eiserner Ofen, 1 4eckigter Tannentisch, ein großes Ovaltisch, ein tannener Schranck, eine verschlossene Schreibrepositur (Schreibsekretär), eine neue Handrepositur, ein Depositen- oder herrschaftl. Gelder-Kasten, ein neuer Siegillschranck im Jahre 1789 gefertiget. Die Akten wurden in einem Nebenraum aufbewahrt, wofür eigens 6 große Repositurschränke samt Bibliotheksleiter aufgestellt waren. In der 2. Hälfte des 20. Jh., zu Zeiten des Caritas-Kinderheims (bis 1986), dienten die vormaligen Amtsräume als Hauskapelle.
Ebenfalls mussten die Untertanen bei Amt erscheinen, um ihre Abgaben, in Geld und Naturalien, abzuliefern. Letztere, vor allem Getreide, wurden in den insgesamt fünf herrschaftlichen Scheunen eingelagert – und in Notzeiten aus diesen Vorräten an die Bewohner auch abgegeben. So mancher gewonnene Prozess wird, vor Rückkehr in den Heimatort, in der Amtswirtschaft begossen, mancher Ärger der unterlegenen Partei ebenfalls mit einigen ‚Kännchen‘ Schnaps hinuntergespült worden sein. In der Amts-wirtschaft logierten auch die Bediensteten der Fuldaer Behörden, die zu Kontrollen und anderen Erledigungen nach Haselstein entsandt waren. Zweimal in der Woche, jeden Mittwoch und Samstag, stellte der Amtsbote die Verbindung mit der Residenzstadt Fulda her.
Dieses lebhafte Dorfgeschehen hat mit der Auflösung des Amtes 1817 ein abruptes Ende gefunden. Von dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust sollte sich Haselstein nie mehr erholen. Heinrich Hahn hat es treffend beschrieben: „Haselstein verlor seine Amts-Funktion und wurde ein Bauerndorf, abgelegen vom Verkehr und still.

© Andreas Knüttel, Februar 2017

Hier finden Sie den vollständigen Aufsatz als PDF:                                1817_Aus nach 500 Jahren

1774 – In der Kürze liegt die Würze

Pfarrer Motz bringt es auf den Punkt

Über Pfarrer Franz Joseph Motz, der von 1765 bis zu seinem Tod 1774 in Haselstein amtierte, ist eine Anekdote überliefert. Als Mensch der Barockzeit war er, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, darin geübt, in langen, verschachtelten Sätzen zu schreiben und verschnörkelte Formulierungen zu verwenden. Dennoch war er, auf entsprechende Anforderung, im entscheidenden Moment in der Lage, sich zur Abwechslung einmal kurz zu fassen. So konnte er Fürstbischof Heinrich von Bibra (1759-1788) davon überzeugen, ihm eine Zulage zu seinen Einkünften zu gewähren. Die Geschichte ist in den ‚Schwänken und Schnurren aus dem Fuldaer Land‘ 1959 von August Feldmann unter der Überschrift ‚In der Kürze liegt die Würze‘ erzählt worden. Leider wird die zugrundeliegende Originalakte nicht genannt.

“Der 1774 verstorbene Pfarrer Motz zu Haselstein hatte sich um Aufbesserung seines geringen Einkommens an den Fürstbischof Heinrich gewandt, aber sein Schreiben zu weitschweifig gehalten. Der Fürst war ein Feind von langem, nutzlosem Gerede und hatte noch weniger Lust, lange Briefe durchzulesen. Als er daher die Eingabe des Pfarrers und den Umfang sah, schickte er sie sofort zurück mit dem Bemerken: „Dieser soll sich kürzer fassen.“ Der Pfarrer verstand und reichte nun folgende Bittschrift ein: „Gnädiger Herr und Fürst! Mich friert, hungert und dürst.“ Dies gefiel dem Fürsten wegen der lakonischen Kürze, und er beantwortete den Schmerzensausruf mit der ebenso lakonischen Bewilligung: „Zwei Klafter Holz, zwei Malter Korn und ein Eimer Wein persönliche Subvention.“

Zu einer Bildergeschichte ist die Anekdote 30 Jahre später für das Informationsblatt des Hessischen Kultusministeriums ‚Schule in Hessen‘ verarbeitet worden. Es wurde kostenlos an allen Schulen im Land verteilt. Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre wurden zur Auflockerung historische Anekdoten aus den unterschiedlichsten Landesteilen in Comic-Form präsentiert. Der unkonventionelle Hilferuf des ‚Pfäffleins Motz aus Haselstein‘ hat Eingang in die Ausgabe 3/1990 gefunden. Die Vollständigkeit gebietet es zu erwähnen, dass Pfarrer Motz an seiner unbefriedigenden Einkommenssituation nicht unschuldig gewesen ist. Seit 1760 hatte er die Pfarrei Borsch versehen, eine deutlich größere Pfarrei als Haselstein. Letztere war mit 234 Katholiken (1763) die kleinste Landpfarrei im Fürstbistum. Nach dem Tod von Pfarrer Johann Baptist Fischer, der seit 1758 Pfarrer in Haselstein gewesen war, Ende Februar 1765 bemühte sich Franz Joseph Motz erfolgreich um die freigewordene Klein-Pfarrei. Verbunden mit der überschaubaren Zahl an Pfarrkindern war insbesondere ein merklicher Rückgang seiner Einkünfte aus den Stolgebühren für die Sakramentenspendung (Taufen, Trauungen, Beerdigungen usw.). Diese ‚leistungsabhängige‘ Komponente machte, anders als heute, einen wesentlichen Anteil der Priestereinkommen aus. Pfarrer Motz‘ Geburtstag war der 18. Dezember 1704.

Zum Priester geweiht wurde er 1729. Die Angaben über seine Herkunft sind widersprüchlich. Nach den Fuldaer Studentenmatrikeln und den Weiheakten stammte er aus Hammelburg. Andere Quellen nennen das Propsteidorf Johannesberg (bei Fulda) als Geburtsort. Bevor er im März 1760 zum Pfarrer in Borsch ernannt wurde, war er seit 1737 erster Pfarrer der von Fürstabt Adolph von Dalberg neu errichteten Pfarrei Wartmannsroth (bei Hammelburg). Begraben wurde Pfarrer Motz nach seinem Tod am 31. März 1774 als letzter Pfarrer in der Haselsteiner Kirche. Sein Grab befindet sich im Altarraum in der Nähe des Grabes des 1758 verstorbenen Pfarrers Johann Valentin Langavel. Die Lage dieser Grabstätte ist durch das in die Wand eingelassene kunstvolle Grabdenkmal auch heute noch genau – unter der ‚Küsterbank‘ – zu verorten.

Laden Sie hier den vollständigen Text als PDF-Datei herunter:  1774 Anekdote-Pfarrer Motz

1598 – Aus der Geschichte von Schloss Haselstein

“Vom Neuwen Ampthauß in Haselstein

 

Vom Döring | HKGV Haselstein

Wer sich dem Dorf von Setzelbach kommend nähert, springt es sofort ins Auge. Als Ersatz für die mittelalterliche Burg auf dem Haselstein um 1600 erbaut, ist das Haselsteiner Amtsschloss mit seinen 36 Metern Länge noch heute das größte Gebäude und thront ehrfurchtheischend über dem Dorf.

Für den Baubeginn wird oft das Jahr 1546 angenommen. Ein Sockelstein am Treppenturm trägt diese Jahreszahl.

Aufzeichnungen aus der Fuldaer Kanzlei verweisen jedoch auf das Jahr 1598. Die Rechnungen des Amts Haselstein belegen zudem, dass der Bau erst nach 1600 fertig gestellt wurde. Dacharbeiten wurden 1604, 05 und 06 abgerechnet; vorher kann der Umzug von der Burg ins neue Ampthauß nicht erfolgt sein.

Für den Schlossbau verantwortlich war zunächst Magister Johann Kircher. Er ist seit 1592 als Vogt auf Haselstein nachgewiesen und ging 1599 als Stadtschultheiß nach Geisa. Dort wurde 1602 Sohn Athanasius, der spätere Jesuit und Universalgelehrte, geboren. Ohne den Weggang des Vaters drei Jahre zuvor hätte der große Sohn der Stadt Geisa als Haselsteiner das Licht der Welt erblickt. Kirchers Nachfolger in Haselstein wurde Sebastian Creutzinger. Er sollte die Fertigstellung des Schlosses besorgen und bis 1622 auf diesem Posten bleiben.

Die Bauzeit des Schlosses war überschattet von den Fuldaer Hexenverfolgungen 1603-06. Diesen sind etwa 270 der Zauberei Beschuldigte, überwiegend Frauen, zum Opfer gefallen. Auch drei Haselsteinerinnen, Barbara Hartung, Margreth Petter und die mit Vornamen nicht bekannte Frau des Hans Paul, wurden verbrannt. Der Haselsteiner Vogt Creutzinger war ein Schwager des Hexenrichters Balthasar Nuß.

Vom Schloss aus verwalteten bis 1817 – mit Unterbrechungen zwischen 1695 und 1700 sowie 1703 und 1727 – 20 Amtsvögte die neun Amtsdörfer Haselstein, Setzelbach, Rasdorf, Grüsselbach, Großentaft, Treischfeld, Soisdorf, Stendorf und Kirchhasel mit ihren etwa 3.000 Untertanen :
1. Mag. Johann Kircher: (1592) – 1599
2. Sebastian Creutzinger: 1599 – 1622
3. Johann Glebe: 1622 – 1633
4. Adam von Jossa: 1633 – 1634
5. Lorenz Rübsam: 1635
6. Peter Engels: (1635)
7. Ludwig Maeyniger: (1639) – 1640
8. Bonifacius Heym: 1641 – (1644)
9. Caspar Staubach: (1647) – 1650
10. Joachim Alter: (1655) – 1668
11. Johann Adam Geissler: 1668 – 1695
12. Johann Keller: 1700 – 1703
13. Johann Leonhard Mägerle: 1727 – 1734
14. Johann Gaudenz Krüper: 1734
15. Matthias Nicolaus Grau: 1734 – 1735
16. Georg Joseph Heucken: 1735 – 1741
17. Caspar Swibert Langavel: 1742 – 1752(†)
18. Johann Christoph Langavel: 1750 – 1755(†)
19. Philipp Ignaz Landvogt: 1756 – 1788
20. Anton Landvogt: 1785 – 1817.

Der Vogt wurde von einem Schreiber und dem Amtsdiener – Vollstreckungsbeamter und ‚Mädchen für alles‘ – unterstützt. Auf heutige Verhältnisse übertragen, vereinigte das Amt die Funktionen von Landratsamt, Finanzamt, öffentlichem Notariat und Amtsgericht. Der jährliche Ertrag für die Fürstabtei belief sich auf 2 ½ bis 3 ½ Tausend Gulden (um 1750).

Abgeurteilt wurden auf dem Schloss lediglich kleinere Vergehen, wie ein Blick in das Strafregister von 1733 zeigt: Mit einem halben Gulden (fl.) davongekommen sind zwei Männer, die ihren Frondienst uf den bestimmten Tag beym frucht Einsacken versäumt hatten. Daß Er Barbara NN zu Wiesenfeld geschlagen, hatte ein Setzelbacher mit 1 ½ fl. zu sühnen. Die üble Nachrede, Daß Er Jacob NN auf oeffentlich Jahr=Marckt zu Geyß (Geisa) Einen Schelmen und Dieb gescholten, solches aber nicht Erweisen können, trug einem Rasdorfer die gleiche Strafe ein. Gegen zwei Männer aus Soisdorf, umb willen sie in dasigem Wirths-Hauß schlägerey angefangen, verhängte der Vogt 10 fl.

Bis 1788 befanden sich die Amtsräume hinter den gekuppelten Fenstern im Obergeschoss.

Um den geordneten Dienstbetrieb zu gewährleisten, war eigens eine Geschäftsordnung erlassen worden. Die Drohung war unmissverständlich: Wer ungemeldet in die Amtsstube eintritt, oder vor derselben lermt, zankt oder sonstigen Unfug treibt, wird das erstemal mit 1 fl. oder durch Einsteckung ins Gehorsam gestraft. Die Amtsräume haben sich die längste Zeit im oberen Stockwerk an der Giebelseite zur Kirche hin befunden. Vogt Anton Landvogt hat die Amtsstube 1788 in das Zimmer in die Nordostecke des ersten Stocks verlegt. Im 20. Jh. befand sich hier, bis zu ihrem Weg-
gang Ende der 1980er Jahre, die Hauskapelle der Ordensschwestern.

1788-1817 ‘Amtsstube’. Bis 1986 Hauskapelle

Untrennbar verbunden mit dem Haselsteiner Schloss ist die Sage vom Grünen Zimmer. Bei der Feier einer Ritterhochzeit habe der Bräutigam dem Wein so heftig zugesprochen, dass er unter den Tisch gekollert sei. Maßlos erbost über den Spott der anwesenden Ritterfrauen habe er, vom Schlag getroffen, die eigene Hochzeit nicht überlebt. In seinen Sünden dahingefahren, ginge er als Geist um und schlüge allen „Weibspersonen derb aufs Maul“, die es wagten, zur Nachtzeit am Ort der Hochzeitsfeier zu lachen. Da selbst Schwester Melania Schneider, aus der Zeit des Kinderheims weithin bekanntes Haselsteiner Original und Frohnatur, solches nie widerfahren ist, wird der Ritter seine Ruhe inzwischen gefunden haben.

 

Barocke Sessel um 1730 (Schloss Hof, Engelhartstetten (NÖ))

Zwar konnte, weil mehrere hundert Jahre zu spät erbaut, kein Ritter im Amtsschloss seine Hochzeit gefeiert haben. Gleichwohl ist die Grüne Stube, wie in der Sage überliefert auf der Schlossbergseite im 1. Stock gelegen, amtlich belegt. Unter anderem mit einem Duzend grüne Sessel ausgestattet, diente der Raum seit den 1720er Jahren als Sitzungs- oder Speisezimmer. Eine Hochzeit hätte hier gut gefeiert werden können. Sechzig Jahre später waren die grünen Lehnstühle jedoch ganz von den Maden zerfressen, unbrauchbar und ganz zerbrochen. 1788 wurde das Zimmer neu möbliert. Danach erschien es in den Inventarlisten als sogenannte Grüne Stube.

Der Beginn der Herrschaft Kurhessens über das Hünfelder Land brachte 1817 dem Amt Haselstein das jähe Ende. Mehr als 500 Jahre hatte es bestanden. Im Schloss blieben der mit 58 Jahren zwangspensionierte Amtmann Anton Landvogt und ein Haufen Akten zurück. Vergeblich waren die Bemühungen der kurhessischen Verwaltung seit 1824, für das Schloss mit seinen 4.400 Kubikmetern umbauten Raums einen Käufer zu finden. Der Haselsteiner Wirt Franz Thomas, sein Bruder Anton war von 1805 – 1821 erster Oberbürgermeister von Fulda gewesen, war jedoch am Erwerb des Mägerleinschen Hofes (heutige Gastwirtschaft in der Schlossbergstraße 2) interessiert. Er diente seit ca. 1770 als Dienstgehöft für den Wildmeister bzw. Förster. Der Handel kam 1834 zustande, und die Försterfamilie musste ins Schloss umziehen.

Für die nächsten 110 Jahre diente es als Forsthaus. Zumeist wohnten dort zwei Försterfamilien. Obwohl Platz war, sich aus dem Weg zu gehen, vertrugen sich die Forstleute, wie die älteren Haselsteiner noch zu erzählen wissen, untereinander schlecht. Diese ungute Tradition bestand bereits zu Fuldischer Zeit. Die innerfamiliären Zwistigkeiten des 1788 pensionierten Vogts Philipp Ignaz Landvogt mit seinem Sohn und Nachfolger Anton und dessen Ehefrau Barbara geb. Dotter aus Weyhers waren dramatisch. So wurde in den Abendstunden des 19. Oktober 1789 die schwangere Barbara auf dem nächst dem Schloss gelegenen Friedhof verprügelt: von Schwiegervater Philipp Ignaz und ihrem Schwager Fritz. (Der sechs Jahre jüngere Bruder Antons sollte 1813 nach der Völkerschlacht als Hünfelder Amtmann Napoleon bei dessen letztem Durchmarsch beherbergen.) Anton konnte seine Frau nur durch den Einsatz einer Flinte befreien. In einer Verteidigungsschrift wies Vater Landvogt der ungeliebten Schwiegertochter alle Schuld zu: Von ihrer Herrschsucht spricht das ganze Dorf. Als die Tochter eines Amtmanns, und nunmehr verehelichte Amtmännin bläset sie sich als eine Göttin auf, um von dem Oberamte angebetet zu werden. Egal, wer am Ende eher im Recht gewesen sein sollte: Ihren Untertanen waren die hochgestellten Herrschaften kein Vorbild.

Der Forstverwaltung war das Schloss ein Klotz am Bein: Auch für zwei Dienstwohnungen war es weit überdimensioniert; das Heizen eine praktische und finanzielle Zumutung. Dass ausgerechnet das Kriegsende 1945 den Förstern bequemere Quartiere und dem Schloss eine neue, dauerhafte Perspektive bringen sollte, gehört zu den zahlreichen Ironien der Geschichte. Im März 1945, wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner, haben sieben Ordensschwestern, deren Niederlassung in Bonn ausgebombt war, im Haselsteiner Pfarrhaus Unterschlupf gefunden. Die Anwesenheit der Ordensfrauen war der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme: Sie richteten im Schloss ein Kinderheim ein. Unter den Abermillionen Kriegsopfern war das Schicksal der Kriegswaisen bzw. von ihren Eltern getrennten Kinder besonders hart. Der Caritasverband übernahm die Trägerschaft und wurde Eigentümer des Schlosses. Kaufpreis waren zwei neue Dienstgehöfte für die Förster an der Großenbacher Straße. Im Schloss lebten, Betreuer und Bedienstete eingeschlossen, über 100 Personen. Die Einwohnerzahl Haselsteins, heute um 350, betrug zeitweilig über 500. Für die Forstleute bisher viel zu groß gewesen, platzte das Schloss jetzt aus allen Nähten. Im Baustil angepasst, wurde in den 1950er Jahren ein Anbau errichtet.

Das Kinderheim existierte bis 1986. Als Einrichtung der Wohlfahrtspflege dient das Schloss jedoch weiterhin. Heute beherbergt es die Werkstätte für Menschen mit Behinderung (WfB). In kleinerem Umfang bereits in den 1970er Jahren gegründet, ist sie gut in die dörfliche Gemeinschaft eingebunden. Die Umfirmierung als ‚Caritas-Werkstatt Schloss Haselstein‘ ist die bisher letzte der zahlreichen Metamorphosen, die das Haselsteiner Schloss in über 400 Jahren mitgemacht hat.

Hier finden Sie den vollständigen Beitrag als PDF: 1598_Schloss Haselstein ')}

1113 – Burg und Ritter von Haselstein. Eine Geschichte aus dem Mittelalter

Auf das ferne Jahr 1113 geht das früheste schriftliche Zeugnis über die Burg auf dem Haselstein zurück. Damals hat der Abt von Fulda – vergeblich – versucht, die dem Kloster gehörende Burg von den abtrünnigen Burgmannen zurückzuerobern. In den Jahrhunderten seither hat sich auf und um den Haselstein viel ereignet. Von der Burg sind nur wenige Mauerreste erhalten geblieben. Könnten diese Steine sprechen, wüssten sie viel zu erzählen: von Rittern und ihren Familien, Knappen, Mägden und Knechten, einigen Tagen des Kampfes und langen Zeiten des Alltags. Zur Burgmannschaft gehörte stets der Eselstreiber, später der Amtsvogt und sein Schreiber. Noch später waren es die Bauleute, die nach dem 30-jährigen Krieg den Verfall tatkräftig vorantreiben sollten. In neuerer Zeit prägen die Ausflügler, die sich an der herrlichen Aussicht erfreuen, das Bild. Zuguterletzt waren und sind es die Generationen Haselsteiner Kinder, die sich auf dem schönsten Abenteuerspielplatz tummeln, lange bevor das Wort erfunden war.

Gerne wird die reiche Geschichte der Burg Haselstein verkürzt auf die sogenannten Raubritter. Diesen allenfalls kleinen Ausschnitt der Haselsteiner Geschichte zutreffend einzuordnen und zugleich die zahlreichen bemerkenswerten Episoden aus der Geschichte dem Vergessensein zu entreißen, ist das Anliegen dieses aus Anlass der Burgjubiläums entstandenen Beitrages.

Inhaltsverzeichnis:

1.   Ein erstes Flackern aus dem Dunkel der Geschichte: Der Haselstein als Grenzpunkt der Mark Rasdorf 780/781

2.  Die “Raubritter” behalten die Oberhand: Ersterwähnung der Burg 1113

3.  Die Haselsteiner Burg: So hat sie ausgesehen

3.1  Rekonstruktionen

3.2  Spärlich, aber aufschlussreich: Die schriftliche Überlieferung

4.  Der erste Haselsteiner: Gerlach, der ‘böse Ritter’

4.1  Gerlach als Gefolgsmann der Fürstäbte

4.2  Gerlach als Inbegriff des Fuldischen Raubritters

5.  Präsent in der Region und im Reich: Haselsteiner Ritter als Diener von Abt und Kaiser

5.1  Die nächste Generation: Ein kaiserlicher Gesandter aus Haselstein

5.2  Die letzten ‘echten’ Haselsteiner: Ludegers Söhne

6.  Die ‘unechten’ Haselsteiner: Diener diverser Herren, erste Verwalter des Amtes?

7.  “Vernachlässigung und der Einfluss von Zeit und Wetter”: Das Ende der Burg Haselstein

Den vollständigen Beitrag finden Sie hier zum Lesen und Herunterladen:

1113_Burg und Familie von Haselstein

780 – Die Jahrhunderte im Überblick

Eine kurze Ortsgeschichte

780 – Ersterwähnung des Berges Haselstein (‚Hasalahastein‘) als Grenzpunkt der Mark Rasdorf. Die beiden Marken Rasdorf und Soisdorf werden von einer Gruppe von Schenkern aus der karolingischen Reichsaristokratie dem Kloster Fulda übereignet. Das Gebiet der beiden Marken ist weitgehend deckungsgleich mit der späteren Großpfarrei Rasdorf und dem fuldischen Amtsbezirk Haselstein.

1113 – Ersterwähnung der Burg Haselstein im Zusammenhang mit dem gescheiterten Versuch des Fuldaer Abtes Wolfhelm (1109-1114), die von Abtrünnigen besetzte Burg zurückzuerobern. Erst Wolfhelms Nachfolger Erlolf von Bergholz gelingt es 1119, die Burg in den Besitz des Klosters zurückzubringen. „780 – Die Jahrhunderte im Überblick“ weiterlesen